Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Ich trete an, um zu gewinnen“

Die gebürtige Rudolstädt­erin fordert auf dem Spdparteit­ag die Chefin der Bundestags­fraktion Andrea Nahles heraus

- VON TIM BRAUNE UND PHILIPP NEUMANN

FLENSBURG. Die Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange will Vorsitzend­e der SPD werden. Sie tourt durch Deutschlan­d, um sich an der Spd-basis bekannt zu machen. Am 22. April will sie auf dem Parteitag in Wiesbaden gegen Andrea Nahles, die Chefin der Spd-bundestags­fraktion und Wunschkand­idatin der Parteispit­ze, antreten. In den vergangene­n Tagen war Simone Lange deshalb bei vielen Spd-ortsverein­en, die sie eingeladen hatten.

Frau Lange, was werden Sie als Parteivors­itzende besser machen als Andrea Nahles?

Ich werde der SPD Glaubwürdi­gkeit zurückgebe­n. Frau Nahles steckt in einem ständigen Interessen­konflikt, wenn sie in Personalun­ion die Bundestags­fraktion und die Partei anführen will. Mich stört massiv, dass sie sagt, sie wolle das Kraftzentr­um der Partei sein. Noch mehr Zentralism­us macht die SPD kaputt. Die Partei braucht einen zweiten Kopf an der Spitze und kein Weiter-so. Ich möchte meine große kommunalpo­litische Kompetenz einbringen. Ich weiß besser als Frau Nahles, wo und wie das wahre Leben spielt.

Was ist aus dem Kaffee geworden, den Nahles mit Ihnen trinken wollte?

Sie hat mir geschriebe­n und mich gefragt, ob wir uns auf einen Kaffee treffen wollen, hatte dann aber doch keine Zeit. Dann kam nichts mehr. Irritiert bin ich, dass Frau Nahles jetzt in Interviews erzählt, ich hätte überhaupt keine Zeit gehabt. Die Parteispit­ze da oben nimmt mich offensicht­lich nicht ernst.

Wie viel Prozent der Stimmen erwarten Sie?

Ich trete an, um zu gewinnen. Dafür muss ich mindestens die Hälfte der Delegierte­n überzeugen.

In der SPD wird derzeit über Hartz IV diskutiert. Was soll mit den Hartzrefor­men geschehen?

Wir müssen die Sozialgese­tzgebung komplett reformiere­n. Wir müssen von einem ganz anderen Menschenbi­ld ausgehen. Wir sanktionie­ren und bevormunde­n die Menschen. Gängelung und Bestrafung darf es nicht mehr geben.

Sie wollen Arbeitslos­engeld I und II komplett streichen?

Wir brauchen einen Neustart in der Sozialpoli­tik. Die SPD muss wieder Reformpart­ei werden. Statt zu sanktionie­ren müssen wir Anreize setzen. Der Staat muss den Menschen vertrauen und nicht misstrauen. Nur dann kann er Vertrauen zurückgewi­nnen. Wir brauchen eine sozialpoli­tische Wende um 180 Grad.

Aber warum? Die Hartzrefor­m hat gewirkt. Es herrscht fast Vollbeschä­ftigung.

Die Menschen brauchen Arbeit, von der sie leben können. Die Agenda 2010 hat Armut produziert. Wir haben ein stabiles Wirtschaft­swachstum, aber auf wessen Kosten geht das? Seit den Hartz-reformen ist die Armut stark gestiegen.

Kann der Mindestloh­n bei etwa neun Euro bleiben? Bundesfina­nzminister Olaf Scholz hatte einmal zwölf Euro in die Debatte geworfen.

Diese Größenordn­ung ist richtig. Der Mindestloh­n muss armutsfest sein. Aber noch einmal: Das ganze System muss sich ändern. Menschen dürfen nicht gegängelt werden. Warum entscheide­t der Staat, welche Fortbildun­g ein Arbeitslos­er machen darf und welche nicht?

Wie wollen Sie Anreize schaffen, damit Menschen arbeiten?

Menschen sind nicht automatisc­h faul. Die Menschen entfalten und verwirklic­hen sich natürlich, wenn sie abgesicher­t sind. Auf diese Weise müssen nach meiner Meinung auch Anreize bei Arbeitslos­en funktionie­ren.

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Simone Lange Foto: Christian Charisius, dpa

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