Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Ich trete an, um zu gewinnen“
Die gebürtige Rudolstädterin fordert auf dem Spdparteitag die Chefin der Bundestagsfraktion Andrea Nahles heraus
FLENSBURG. Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange will Vorsitzende der SPD werden. Sie tourt durch Deutschland, um sich an der Spd-basis bekannt zu machen. Am 22. April will sie auf dem Parteitag in Wiesbaden gegen Andrea Nahles, die Chefin der Spd-bundestagsfraktion und Wunschkandidatin der Parteispitze, antreten. In den vergangenen Tagen war Simone Lange deshalb bei vielen Spd-ortsvereinen, die sie eingeladen hatten.
Frau Lange, was werden Sie als Parteivorsitzende besser machen als Andrea Nahles?
Ich werde der SPD Glaubwürdigkeit zurückgeben. Frau Nahles steckt in einem ständigen Interessenkonflikt, wenn sie in Personalunion die Bundestagsfraktion und die Partei anführen will. Mich stört massiv, dass sie sagt, sie wolle das Kraftzentrum der Partei sein. Noch mehr Zentralismus macht die SPD kaputt. Die Partei braucht einen zweiten Kopf an der Spitze und kein Weiter-so. Ich möchte meine große kommunalpolitische Kompetenz einbringen. Ich weiß besser als Frau Nahles, wo und wie das wahre Leben spielt.
Was ist aus dem Kaffee geworden, den Nahles mit Ihnen trinken wollte?
Sie hat mir geschrieben und mich gefragt, ob wir uns auf einen Kaffee treffen wollen, hatte dann aber doch keine Zeit. Dann kam nichts mehr. Irritiert bin ich, dass Frau Nahles jetzt in Interviews erzählt, ich hätte überhaupt keine Zeit gehabt. Die Parteispitze da oben nimmt mich offensichtlich nicht ernst.
Wie viel Prozent der Stimmen erwarten Sie?
Ich trete an, um zu gewinnen. Dafür muss ich mindestens die Hälfte der Delegierten überzeugen.
In der SPD wird derzeit über Hartz IV diskutiert. Was soll mit den Hartzreformen geschehen?
Wir müssen die Sozialgesetzgebung komplett reformieren. Wir müssen von einem ganz anderen Menschenbild ausgehen. Wir sanktionieren und bevormunden die Menschen. Gängelung und Bestrafung darf es nicht mehr geben.
Sie wollen Arbeitslosengeld I und II komplett streichen?
Wir brauchen einen Neustart in der Sozialpolitik. Die SPD muss wieder Reformpartei werden. Statt zu sanktionieren müssen wir Anreize setzen. Der Staat muss den Menschen vertrauen und nicht misstrauen. Nur dann kann er Vertrauen zurückgewinnen. Wir brauchen eine sozialpolitische Wende um 180 Grad.
Aber warum? Die Hartzreform hat gewirkt. Es herrscht fast Vollbeschäftigung.
Die Menschen brauchen Arbeit, von der sie leben können. Die Agenda 2010 hat Armut produziert. Wir haben ein stabiles Wirtschaftswachstum, aber auf wessen Kosten geht das? Seit den Hartz-reformen ist die Armut stark gestiegen.
Kann der Mindestlohn bei etwa neun Euro bleiben? Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte einmal zwölf Euro in die Debatte geworfen.
Diese Größenordnung ist richtig. Der Mindestlohn muss armutsfest sein. Aber noch einmal: Das ganze System muss sich ändern. Menschen dürfen nicht gegängelt werden. Warum entscheidet der Staat, welche Fortbildung ein Arbeitsloser machen darf und welche nicht?
Wie wollen Sie Anreize schaffen, damit Menschen arbeiten?
Menschen sind nicht automatisch faul. Die Menschen entfalten und verwirklichen sich natürlich, wenn sie abgesichert sind. Auf diese Weise müssen nach meiner Meinung auch Anreize bei Arbeitslosen funktionieren.