Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Giftverbot soll Bienen retten
Studien belegen die schädliche Wirkung bestimmter Insektizide auf Nützlinge. Nun könnte die EU den Einsatz im Freiland verbieten
BERLIN. Die Biene und das Sterben werden in diesen Tagen häufig in einem Atemzug genannt: Das Bienensterben treibt Imker um, Umweltschützer, Landwirte, die deutsche Politik genauso wie die europäische. So kommt es, dass am heutigen Freitag jene Gifte auf der Tagesordnung des Bundestages stehen, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen teilweise zum Verschwinden ganzer Bienenvölker beitragen: Neonikotinoide.
Die Insektizide schützen zwar Saat und Frucht vor sogenannten Schädlingen, töten aber auch Bienen und andere Nützlinge. Das ist in unzähligen Studien nachgewiesen und unumstritten. Trotzdem dürfen die Mittel mit Einschränkungen weiter eingesetzt werden. Das könnte sich nun ändern. Die Eu-mitgliedstaaten wollen in der nächsten Woche über ein Freilandverbot für drei Mittel aus der Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide abstimmen.
Konkret geht es um die Mittel Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Deren Einsatz hat die EU nach einer Beurteilung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) 2013 stark eingeschränkt. Außerdem beauftragte die Eukommission die Efsa anschließend mit einer erneuten Bewertung. Ergebnis: gefährlich für Honig- und Wildbienen.
Neonikotinoide werden für die Beize des Saatguts und als Spritzmittel verwendet. Eine tödliche Dosis hemmt die Nervenzellen der Insekten, lähmt die Tiere, sie verenden. „Merkt eine Biene, dass sie vergifteten Nektar aufgenommen hat, fliegt sie erst gar nicht zurück zu ihrem Stock – um das Volk zu schützen“, sagt Professor Ralf Einspanier von der Freien Universität (FU) Berlin. Er leitet dort das Institut für Veterinärbiochemie. Merkt die Biene es aber nicht, kann das dramatische Auswirkungen auf das gesamte Volk haben: Sie füttert die Larven mit dem giftigen Nektar. Der Nachwuchs stirbt, ist geschädigt oder kann stark entwicklungsverzögert sein.
Neben dieser unmittelbar toxischen gibt es noch eine schleichende Wirkung. „Das Lernund Erinnerungsvermögen der Tiere wird beeinträchtigt“, sagt Einspanier. Die Bienen finden den Weg zum Stock nicht mehr – oder sie vergessen, welche Aufgabe sie im Volk haben.
Jeder Schädling hat seinen Nützling
Und nicht nur Bienen sind von der Wirkung der Neonikotinoide betroffen. „Auch Schmetterlinge, Käfer, Ameisen und Regenwürmer leiden darunter“, sagt Corinna Hölzel vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (Bund). Und in der Folge auch Vögel und Fledermäuse, denen es an Nahrung fehlt.
Die Bundesregierung wird sich wohl für ein Freilandverbot aussprechen. Die bei diesem Thema federführende Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat ihre Zustimmung zu dem Vorschlag der Eu-kommission signalisiert. Aus Sicht von Umweltschutzverbänden wie Bund und Naturschutzbund (Nabu) kann ein Verbot der drei Wirkstoffe jedoch nur ein erster Schritt sein. Sie fordern ein Komplettverbot der Neonikotinoide. Und auch dann bleibe die Sorge, dass die verbotenen Insektizide durch andere ersetzt werden, sagt Hölzel. „Sie sind vielleicht einzeln nicht so toxisch, aber in Kombination etwa mit Pilzmitteln eben doch.“Auch das angestrebte Freilandverbot geht dem Bund nicht weit genug. „Gewächshäuser sind kein geschlossenes System“, sagt Hölzel. Die Neonikotinoide seien langlebig und wasserlöslich. Landen sie im Grundwasser, sind sie lange nicht mehr aus der Umwelt zu bekommen.
Doch die Landwirtschaft ist auf Schädlingsbekämpfung angewiesen. „Um Qualität und Erträge abzusichern, brauchen wir Pflanzenschutzmittel“, sagt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Ohne die gehe es nicht, weder in der ökologischen noch in der konventionellen Landwirtschaft. „Sollten wir jetzt eine effektive Wirkstoffgruppe verlieren, um unsere Pflanzen zu schützen, ist es eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln und neue Produkte schnell zur Zulassung zu bringen“, sagt Rukwied.
Der Bund sieht die Lösung in einer anderen Landwirtschaft. „Es gibt Ansätze, die auch in der konventionellen Landwirtschaft umgesetzt werden können“, sagt Corinna Hölzel. Etwa Lebensräume für Nützlinge zu schaffen, wie Hecken oder breite, bewachsene Feldränder, die den Tieren Unterschlupf bieten. „Denn jeder Schädling hat seinen Nützling.“
Für Hobbygärtner gilt, was auch in der Landwirtschaft gilt: Wer Nützlingen eine geeignete Umgebung schafft, macht es Schädlingen schwer. Der Naturschutzbund (Nabu) rät etwa zu einer Ecke mit Totholz, einem Wildstaudenbeet oder einem wilden Abschnitt im Garten.