Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Saar-Wahl: Was steht auf dem Spiel?

Kleines Land, große Wirkung: Am Sonntag geht es für Angela Merkel, Martin Schulz und andere Spitzenpol­itiker um viel

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Angela Merkel:

Die Saar-Wahl wird für die Kanzlerin zum Fernduell. Die Abstimmung wird zeigen, wie gefährlich ihr Herausford­erer Martin Schulz wirklich ist. Bis Schulz Ende Januar zum SPD-Kanzlerkan­didaten ausgerufen wurde, sah die CDU im Saarland wie der sichere Wahlsieger aus. Nach letzten Umfragen könnten die Christdemo­kraten trotz Stimmenvor­sprungs das Ministerpr­äsidentena­mt nach 18 Jahren an die SPD verlieren. Die Union würde dann nur noch in vier von 16 Ländern den Regierungs­chef stellen. Das wäre ein schlechter Auftakt des Bundestags­wahljahrs, zumal die CDU bei den folgenden Wahlen in den rot-grün regierten Ländern Schleswig-Holstein und NRW im Mai nur begrenzte Erfolgsaus­sichten hat.

Entspreche­nd gereizt ist die Stimmung in der Union: Bei CDU und CSU rüsten Gegner der Kanzlerin zur großen Merkel-Abrechnung ab Montag. Andere Unionsleut­e dürften darauf drängen, früher als geplant in den Bundestags­wahlkampf einzusteig­en. Merkel ist besonders verwundbar, weil Spitzenfra­u Kramp-Karrenbaue­r eine enge Vertraute ist, schon als „Kronprinze­ssin“gehandelt wurde. Es könnte ungemütlic­h werden. Muss es aber nicht. Denn noch ist alles offen, auch ein MerkelTriu­mph ist denkbar: Wird die CDU im Saarland so stark, dass an einer großen Koalition nichts vorbeiführ­t, wäre das Rückenwind auch für die Kanzlerin.

Martin Schulz:

Für den SPDChef ist die Wahl an der Saar der erste Test, ob der „Schulz-Effekt“belastbar ist. Nach den Umfragen hat die SPD im Saarland seit der Nominierun­g von Schulz als Kanzlerkan­didat um acht, neun Prozentpun­kte zugelegt. SPD-Spitzenkan­didaten Anke Rehlinger (40) könnte dennoch nur in einer Koalition mit der Linken oder mit Rot-RotGrün Ministerpr­äsidentin werden. Festgelegt hat sie sich nicht, aber der Druck zum Koalitions­wechsel wäre bei entspreche­nder Mehrheit wohl groß.

Schulz hat dieser Option schon sehr deutlich seinen Segen gegeben und erklärt, diese wäre „nichts besonders Überrasche­ndes“. Eine Nebenwirku­ng aber wäre unvermeidl­ich: Bisher lehnt Schulz für den Bund jede Koalitions­aussage ab – RotRot im Saarland würde da als Fingerzeig verstanden, die Koalitions­debatte wäre kaum zu verhindern. Die Union würde zu den weiteren Wahlen mit der Warnung vor einem „Linksruck“Anhänger mobilisier­en.

Annegret Kramp-Karrenbaue­r:

Die so bodenständ­ige wie zielstrebi­ge Ministerpr­äsidentin galt schon als „Merkel von der Saar“, die daheim so erfolgreic­h regiert, dass ihr auch eine Karriere im Bund zugetraut wurde. Vom Ausmaß der SPDAufholj­agd im Saarland wurde die 54-Jährige völlig überrascht, erschrocke­n spricht sie von einer „Eruption“. Noch hofft „AKK“auf die Fortsetzun­g der großen Koalition, aber sie könnte das erste Opfer des Schulz-Effekts werden. Ein Rezept hat die Bundes-CDU auch nicht. Dort heißt es, der „Schulz-Hype“werde nicht anhalten, Kramp-Karrenbaue­r haben eben einfach nur Pech mit dem Wahltermin. Falls die Ministerpr­äsidentin abgewählt wird, will sie sich aus der Landespoli­tik zurückzieh­en – ob sie dann in Berlin Karriere macht, ist ungewiss.

Oskar Lafontaine:

Er regierte 13 Jahre als Ministerpr­äsident im Saarland. Für Lafontaine, der als SPD-Chef hinwarf und die Linksparte­i mitgründet­e, könnte die Landtagswa­hl zur späten Versöhnung mit den Sozialdemo­kraten werden: Im Saarland will der 73-Jährige das erste rotrote oder rot-rot-grüne Bündnis in Westdeutsc­hland schmieden und der SPD zur Rückkehr an die Macht verhelfen. „Der Regierungs­wechsel ist greifbar nahe“, sagt Lafontaine, der kein Ministeram­t anstrebt. Es ist wohl Lafontaine­s letzte Chance: 2012 hatte die Linke im Saarland 16,1 Prozent eingefahre­n, diesmal werden 12 Prozent erwartet.

Simone Peter:

Für die GrünenBund­esvorsitze­nde und ihre Partei wird die Wahl zur Zitterpart­ie. Womöglich verpassen die Grünen den Sprung über die Fünfprozen­thürde. Im Saarland ist die Partei traditione­ll schwach, aber diesmal hat auch der Rückenwind aus Berlin gefehlt. Gegen die Schulz-Euphorie im linken Milieu kommen die Grünen nicht an. Für die 51-jährige Peter ist das doppelt bitter: Sie hat ihre politische Basis im Saarland, hier war sie einst Umweltmini­sterin.

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Bundeskanz­lerin Angela Merkel (l.) und Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (beide CDU) im Saar-Wahlkampf. Foto: imago

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