Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Win Jenaer in Yeha

- Von Hanno Müller

D ie Königin von Saba hat Prof. Norbert Nebes noch nicht gefunden. Bis heute ist unklar, ob es ein historisch­es Vorbild für die biblische Gestalt gab. Ihr Reich könnte aber in Nordäthiop­ien um Aksum gelegen haben.

Genau dort waltete ungefähr zu der Zeit der legendären „Königin des Südens“eine Ära, die für den Jenaer Philologen spannender nicht sein könnte. Etwa ab 1000 v. Chr. migrierten jemenitisc­he Sabäer aus der Hauptstadt Marib nach Nordostafr­ika in die Region Tigray im äthiopisch­en Hochland. Unter ihnen waren Steinmetze und Händler. Im Einwandere­rgepäck hatten sie hoch entwickelt­e Kulturtech­niken, mit denen sie politische Institutio­nen, Schrift, Sprache, Götterwelt und Kulte sowie Architektu­r, Bautechnik und Kunsthandw­erk beeinfluss­ten. Für 500 Jahre prägten die Zuwanderer eine Kulturland­schaft, in der Sabäer und Äthiopier enge Bindungen eingingen. 500 v. Chr. war wieder Schluss damit.

Politische­s und religiöses Zentrum des sich neu etablieren­den „äthio-sabäischen“Gemeinwese­ns mit Namen Di‘amat war Yeha, gelegen 50 Kilometer nordöstlic­h von Aksum. Heute ist Yeha nur ein Dörfchen, jedoch mit einem der bedeutends­ten Zeugnisse jener Zeit. Mitten im Ort findet sich die Tempelruin­e für den sabäischen Hauptgott Almaqah. Erbaut wurde das Heiligtum nach südarabisc­hem Vorbild im 7. Jahrhunder­t v. Chr..

Sabäer setzten auf Familienba­nde statt auf militärisc­he Okkupation

Nach einem Brand noch vor der Zeitrechnu­ng blieben nur die 14 Meter hohen Mauern stehen. Dass sie die Jahrhunder­te überlebten, verdanken sie wohl der Nutzung als christlich­e Kirche. Lange galt die Ruine als einsturzge­fährdet. Vom Deutschen Archäologi­schen Institut (DAI) wurde sie jetzt gesichert und in diesen Tagen der Öffentlich­keit zurücküber­geben. In einem gemeinsame­n DFG-Projekt untersuche­n Universitä­t Jena und DAI die antike Kulturland­schaft von Yeha.

Was aber trieb die Sabäer in den Norden Afrikas? Und warum schwand ihr Einfluss wieder? Das sind ungeklärte Fragen, auf die der Orientalis­t Nebes im auf 12 Jahre angelegten Yeha-Projekt Antworten sucht. Die Sabäer handelten mit Gold, Weihrauch und Elfenbein. Das Horn von Afrika war als wichtige Wirtschaft­sregion für sie interessan­t. „Die Einwandere­r nennen in ihren Königstitu­laturen auch die mütterlich­e Linie, was in Arabien nicht üblich war und auf eine Akkulturat­ion mit der einheimisc­hen Bevölkerun­g hindeutet“, sagt Nebes. Familienba­nde statt militärisc­he Okkupation – ein kluger Schachzug, findet der Jenaer.

Symbolisch für all das steht der Tempel von Yeha. 1000 Kubikmeter bestens bearbeitet­er Kalkstein seien damals über 100 Kilometer herangesch­afft worden, ein logistisch­e Meisterlei­stung. Am Ursprungso­rt der Steine in Wuqro wurde jüngst ein Altar ausgegrabe­n, der wohl eine Miniausgab­e des ursprüngli­chen Heiligtums darstellt.

Die Wiege des modernen Westens findet sich in Regionen wie der um Yeha

Warum die Region dann aber für fünf Jahrhunder­te – bis zum Aksumitisc­hen Reich ab dem 1. Jahrhunder­t n. Chr. – im Dunkel der Geschichte versinkt, will Nebes herausfind­en. Er versteht dies auch als Beitrag zur Kultur- und Geistesges­chichte der Menschheit. Denn auch wenn der Westen sich heute anderen gern überlegen fühle, die Ursprünge fänden sich eher in Regionen wie der um Yeha.

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FOTO: SASCHA FROMM Der Jenaer Orientalis­t und Philologe Prof. Nobert Nebes mit einem Foto des restaurier­ten und mit einem Stützgerüs­t gesicherte­n Sabäer-Tempels von Yeha in Nordäthiop­ien.
 ?? FOTO: PAWEL WOLF, DAI ?? Altar aus dem Almaqah-Tempel in Wuqro, 90 Kilometer südöstlich von Yeha. Dieser Altar stellt möglicherw­eise den Tempel von Yeha in Miniatur dar.
FOTO: PAWEL WOLF, DAI Altar aus dem Almaqah-Tempel in Wuqro, 90 Kilometer südöstlich von Yeha. Dieser Altar stellt möglicherw­eise den Tempel von Yeha in Miniatur dar.

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