Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Flüchtlinge helfen Landsleuten bei der Eingewöhnung
Ellen Könneker: Die Mitstreiter definieren ihre Arbeit nicht als Ehrenamt, sondern sehen es als Selbstverständlichkeit an
Sie lernen mit anderen Flüchtlingen Deutsch, begleiten sie zu Behörden oder bringen ihnen Kung Fu bei: Längst helfen viele Geflüchtete in Thüringen ehrenamtlich. „Sie definieren es nicht als Ehrenamt, sondern sehen es als Selbstverständlichkeit an“, sagt Ellen Könneker vom Thüringer Flüchtlingsrat. Sie brächten sich dort ein, wo es an staatlichen Angeboten fehle. „Es gibt Lücken, und es wird sie immer geben.“Nach Ansicht von Könneker fehlt es etwa an Dolmetschern bei Arztbesuchen oder Behördengängen. Mittlerweile gebe es aber viele Initiativen von Flüchtlingen. Ein Überblick: Flüchtlinge pauken mit anderen Flüchtlingen Deutsch: Malek Harba kam vor zehn Jahren von Syrien nach Deutschland. Er half Syrern, damit sie sich in Thüringen zurechtfinden. Ein Jahr arbeitete er an einer Sprachschule. Vor gut zwei Wochen öffnete er in Erfurt seine eigene. „Ich möchte nun auch etwas für Deutschland und Erfurt leisten“, betont der 41-Jährige. Von der Landesarbeitsagentur und den Jobcentern habe er bereits grünes Licht, dass in seiner Schule Sprachkurse stattfinden könnten. Mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei er im Gespräch. Harba glaubt, dass er als Syrer leichteren Zugang zu seinen Landsleuten findet als deutsche Anbieter solcher Kurse. Er wolle auch Deutschen Arabisch beibringen.
• Flüchtlinge passen auf die Kinder anderer auf: Steve Richter kennt die Sorgen vieler Geflüchteter, die einen Integrationskurs besuchen möchten, aber niemanden haben, der sich in dieser Zeit um die Kinder kümmert. Nach Angaben des Geschäftsführers des Geraer Vereins Akzeptanz bietet sein Haus ein solche Betreuung an. „Vier Geflüchtete und sechs Ehrenamtliche helfen uns dabei.“15 Kinder seien es pro Tag, die betreut werden. Die Eltern könnten sie vor der Schule vorbeibringen und hinterher wieder abholen. „Die Zahl der Plätze in Kindergärten ist begrenzt“, verweist Richter auf die Notwendigkeit solcher Angebote.
• Flüchtlinge helfen anderen beim Umzug: Unter dem Dach der Initiative Neue Nachbarn Rudolstadt gebe es einen Umzugsservice, berichtet Wolfhard Pröhl vom Koordinierungskreis. Zwei Syrer und zwei Afghanen seien mit dabei. Damit die Wohnungen mit Möbeln bestückt werden könnten, gebe es ein Möbellager
und eine Kleiderkammer, erzählt Pröhl. Zehn bis 15 Flüchtlinge kümmerten sich um die gespendete Kleidung und verteilten sie, heißt es.
• Flüchtlinge versorgen andere mit Lebensmitteln: Sieben Monate alt sei der neue Lebensmittelladen in Ilmenau, der auf den Namen Damaskus getauft worden sei, erzählt Andreas Hartmann vom Netzwerk „Refugees welcome – Flüchtlinge willkommen in Ilmenau“. „Die Idee kam von Flüchtlingen selbst.“Sie hätten in den Märkten nach Dingen gesucht, die sie aus ihrer Heimat kannten – vergeblich. „Der Laden wird auch von ausländischen Studenten und Deutschen gut angenommen“, berichtet Hartmann.
„Das Konzept ist aufgegangen.“Mittlerweile seien schon drei Arbeitsplätze in dem Laden geschaffen worden. „Wir hoffen, dass er weiter ausgebaut wird.“
• Flüchtlinge treiben mit anderen Sport und zeigen ihnen Thüringen: Seit gut zwei Monaten führt ein Kung FuLehrer aus Afghanistan in die chinesische Kampfkunst ein, wie Pröhl von der Initiative Neue Nachbarn sagt. Der Mann gibt die Kurse in Bad Blankenburg (Kreis SaalfeldRudolstadt). Im Landesmuseum Heidecksburg in Rudolstadt gab es nach eigenen Angaben in der Vergangenheit Führungen von Flüchtlingen für Geflüchtete durch das Haus und die Ausstellungen.