Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Ramschelkirmes vertreibt die letzten Geister
Das kleine Hayn feiert ein stimmungsvolles Dorffest und ließ auch alte Traditionen nicht ganz untergehen
„Tanz um dein Leben“von Henning Wehland hatten sie sich ausgesucht. Zu diesem Titel wollten die neun Pärchen der Hayner Ramschelkirmes auf traditionelle Weise Samstagabend das Fest eintanzen. Doch ausgerechnet Maria Kirst stand ohne Tanzpartner da.
Die 29-Jährige hatte nicht nur die Bändchen für die Burschen und Mädels vorbereitet. Bei ihr laufen die organisatorischen Fäden für die Kirmes zusammen. Intern nennen die jungen Leute sie ihre „Kirmesmutter“, auch wenn es die eigentlich nicht gibt. Und nun war obendrein Burschenvater René Menge krank geworden. Die BurschenvaterPflichten übernahm zwar sein Bruder Jan. Aber eintanzen konnte er nicht mit zwei Frauen.
Zum Glück begann das Festwochenende mit einem DiscoAbend. Das war Marias Chance. Sie nahm allen Mut zusammen, sprach einen der Gäste an und der sagte zu: Michael hat früher in Hayn gewohnt und kam zur Kirmes in seinen Heimatort zurück. Zudem wohnt er in der Region, so dass es keine unüberwindliche Hürde war, am Samstag im Anzug zu erscheinen. Denn der ist für die Burschen ebenso Pflicht wie das Festkleid für die Mädels.
Vom Ramschelfest ist bei der Kirmes nicht nur der Name übrig geblieben. Gleich mehrfach spielte der Bärlauch zur Ramschelkirmes seine Rolle. Zur Disco gab es beispielsweise Baguettes mit selbst gemachter Bärlauchbutter. Schon wegen des intensiven Geruchs griffen praktisch alle zu. Und Sonntag zum Frühschoppen standen schließlich Gläser mit blühendem Bärlauch auf allen Tischen.
Darum hatte sich Sophie Kobusch verdient gemacht. Sie war am Donnerstag in den Wald gegangen und hatte ihn gepflückt. Damit wandelte sie gleichsam auf den Spuren des alten Ramschelfestes: Bis vor 100 Jahren zogen die Bewohner am Sonntag vor Walpurgis in die Wälder, um Ramschel zu sammeln, zu essen und zu trinken und geschmückt mit Bärlauch-Blüten heimzukehren. – So vertrieben sie die bösen Geister.
Sollte es an diesem Wochenende irgendwelche Geister gegeben haben, dann waren sie spätestens zur Ständchenrunde am Samstag vertrieben. Denn fast alle 55 Haushalte von Hayn öffneten die Türen, als die jungen Leute mit Dooms-Day als Kapelle durchs Dorf zogen.
Die beste, weil ganz eigene Stimmung hatte die Ramschelkirmes für Maria Kirst auch diesmal wieder zum Frühschoppen, selbst wenn diesmal die Kühle alle im Saal hielt: „Aber hier kommen tatsächlich alle Generationen zusammen – spätestens bei Gulasch und Klößen und nachmittags zum Kindertanz.“