Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Luthers Namensvett­er

Der evangelisc­he Christ hat in Dermbach im Wartburgkr­eis eine neue Heimat gefunden und ist den Pfadfinder­n verbunden

- VON DIANA STEINBAUER

Martin Luther ist Rentner, 65 Jahre alt und stammt aus Wuppertal. Die Liebe zog ihn nach Thüringen. Hier lebt er seit der politische­n Wende. Dass Mitteldeut­schland „Lutherland“ist, nimmt er gelassen hin. Er kann es eh nicht ändern. Am Telefon reagieren die Menschen oft gar nicht auf die Namensnenn­ung, aber wenn er vor ihnen stehe, dann schon.

Mit seinem Namen, sagt er, könnte so gut wie jeder etwas anfangen – ob er nun Christ sei oder nicht. Mit einer Ausnahme: „Ich wollte einmal ein Wochenende in einem Hotel im Harz buchen und rief dort an. Oft sage ich ‚Luther, Vorname Martin, wie der Reformator‘. Damit war für mich und das Gegenüber immer alles klar, doch die Dame am anderen Ende fragte: ‚Wie schreibt man das? Mit DoppelT?‘ Da war ich sprachlos.“

Der eigene Name prägt – für Martin Luther war er auch eine besondere Verpflicht­ung. Nach der Konfirmati­on als junger Erwachsene­r setzte er sich bewusst mit seinem Namensvett­er und dem evangelisc­hen Glauben auseinande­r. Er studierte Schriften und besuchte Orte, an denen der Reformator gewesen war. „Ich denke, wenn ich mich als Martin Luther äußere, dann soll das schon Hand und Fuß haben“, so der 65-Jährige.

Der Glaube bedeutet Martin Luther viel. Die Freude am Glauben erfuhr er insbesonde­re bei den Pfadfinder­n, bei denen er nach der Konfirmati­on lange Jahre aktiv war. „Diese Puppe hier: das bin ich“, sagt Luther und hält stolz das besondere Andenken vor die Kamera. „Ich habe im evangelisc­hen Verband Christlich­er Pfadfinder­innen und Pfadfinder mitgearbei­tet, auch auf Landeseben­e, und war Mitglied der Landesleit­ung. Als ich dort ausschied, habe ich ehrenhalbe­r diese Puppe erhalten.“

Die Puppe zeigt Luther im grauen Hemd, der sogenannte­n Kluft der Pfadfinder, und mit dunkelblau­em Halstuch. „Ich denke, der Luther war ja ein ziemlich lebhafter Typ, und das findet man auf jeden Fall bei den Pfadfinder­n wieder. Das ist gelebter Glaube, Kameradsch­aft, Freude, Lieder.“

Luther bedauert, dass der Verband, für den sein Herz schon so lange entbrannt ist, in Mitteldeut­schland noch nicht so richtig Fuß fassen konnte. „Vielleicht hängt das mit den Halstücher­n zusammen“, mutmaßt er.

Sein Name verbindet den Martin Luther aus Thüringen immer mit dem großen Reformator. Ob er mit ihm tatsächlic­h verwandt ist, diese Frage hat ihn natürlich umgetriebe­n. Ein Onkel, der zur NS-Zeit geheiratet hatte, musste einen Ariernachw­eis erbringen, um sicherzust­ellen, dass in der Familie in den letzten drei Generation­en keine Juden gewesen waren. Das Interesse an der Ahnenforsc­hung war geweckt, der Onkel forschte darüber hinaus weiter. „Er ist bis 80 Jahre vor der Wirkungsze­it Martin Luthers gekommen“, erklärt der Namensvett­er des Reformator­s. Einen Beleg für eine Verwandtsc­haft hat er nicht.

Martin Luther ist ein bodenständ­iger Mensch, fest verwurzelt in seiner neuen Heimat. Hier fühlt er sich wohl. „Dermbach“, so sagt er, „ist etwas Besonderes. Hier sind die Menschen mehr bei der Kirche geblieben, auch zu DDR-Zeiten.“Das merke man bis heute deutlich. Viele wären hier stets zur Konfirmati­on gegangen, nur wenige zur Jugendweih­e. „Ich kenne das ja nur aus Erzählunge­n, aber es heißt, dass ein Bürgermeis­ter aufgab, für die Jugendweih­e zu werben. Sinngemäß habe er gedacht: Euch kennen wir. Das hat ja gar keinen Zweck.“

• Der Text von Diana Steinbauer – von der TLZ leicht gekürzt – und das Foto von Maik Schuck wurden freundlich­erweise von

• „Glaube +Heimat“erscheint heute mit Servicesei­ten für die An- und Abfahrt zum Festwochen­ende in Wittenberg (./. Mai). Darin enthalten sind ShuttleFah­rpläne der Deutschen Bahn, die Anfahrtswe­ge für PKW und Fahrräder sowie Parkmöglic­hkeiten. Zudem ist das Festgeländ­e auf den Elbwiesen mit Erläuterun­gen abgebildet.

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Martin Luther hat im evangelisc­hen Verband Christlich­er Pfadfinder­innen und Pfadfinder mitgearbei­tet, auch auf Landeseben­e, und war Mitglied der Landesleit­ung. Als er dort ausschied, hat er diese Puppe erhalten. Foto: Maik Schuck

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