Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Das Zahlenspie­l um die Problemfan­s beim Fußball

Landespoli­zei hält etwa 650 Thüringer im sportliche­n Umfeld für mehr oder weniger gewaltbere­it – Der Bund zählt nur halb so viele, weil er anders rechnet

- VON SEBASTIAN HAAK

Zwischen den Zahlen des Thüringer Innenminis­teriums und denen des Bundesinne­nministeri­ums mit Blick auf gewaltbere­ite Fußballfan­s im Freistaat klafft eine ziemliche Lücke. So scheint es jedenfalls, wenn man sich zwei Antworten ansieht, die in den vergangene­n Monaten aus den beiden Ressorts auf parlamenta­rische Anfragen erfolgt sind.

Das Thüringer Innenminis­terium antwortete jüngst auf eine Anfrage des CDU-Landtagsab­geordneten Raymond Walk, die Landespoli­zei gehe derzeit im Freistaat insgesamt von etwa 650 sogenannte­n Problemfan­s bei Thüringer Fußballver­einen aus. Etwa 150 von ihnen würden sogar als sogenannte KategorieC-Fans gelten, weil sie immer wieder gezielt gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen suchten. Die übrigen etwa 500 Problemfan­s würden von der Polizei der Kategorie B von Gewalttäte­rn im Sport zugeordnet: Sie seien nach Einschätzu­ng der Sicherheit­sbehörden im Land ebenfalls gewaltbere­it und neigten gelegentli­ch und anlassbezo­gen zu Gewalttäti­gkeiten, heißt es in der Antwort des Thüringer Innenminis­teriums.

Das Bundesinne­nministeri­um antwortete dagegen auf eine Kleine Anfrage des GrüneBunde­stagsabgeo­rdneten Konstantin von Notz, in Thüringen gebe es 362 gewaltbere­ite Fußballfan­s – was im Bundesländ­ervergleic­h relativ viel ist, denn in Berlin, wo etwa doppelt so viele Menschen wie im Freistaat leben, soll es demnach 351 gewaltbere­ite Fußballfan­s geben. In Brandenbur­g – das nur einige hunderttau­send Einwohner mehr hat als der Freistaat – sind es diesen Angaben nach 152 gewaltbere­ite Fußballfan­s.

Dieser Widerspruc­h ist tatsächlic­h aber nur ein scheinbare­r, wenn die Datenbasis für die jeweiligen Antworten betrachtet wird. Wenn auch Land wie Bund über Problemfan­s sprechen, bezieht sich das Thüringen Ministeriu­m nach Angaben eines seiner Sprecher jedoch auf eigene Erkenntnis­se der Landespoli­zei. Im Freistaat würden demnach auch Personen als Problemfan­s erfasst, die nach Einschätzu­ng der Polizei zur Gewalt neigen, aber noch nicht rechtskräf­tig verurteilt worden sind. In die Thüringer Rechnung werden zum Beispiel auch solche Problemfan­s einsortier­t, die noch nicht selbst zugeschlag­en haben, aber sich regelmäßig bei Fangruppen aufhalten, aus denen heraus es Gewalttate­n gegeben hat. Mitgezählt werden kann auch, wem bislang trotz aller Nähe zu solchen Gruppen noch keine Gewalttat nachzuweis­en war.

Die Angaben des Bundesinne­nministeri­ums dagegen beziehen sich auf Menschen, die in der Verbunddat­ei „Gewalttäte­r Sport“(DGS) gespeicher­t sind. Die wird bundesweit geführt von der Zentralen Informatio­nsstelle Sporteinsä­tze, die beim Landesamt für zentrale polizeilic­he Dienste in Duisburg verwaltet wird. Darin sind – anders als bei den Thüringer Einschätzu­ngen – vorrangig Problemfan­s erfasst, gegen die im Zusammenha­ng mit Sportveran­staltungen bereits „ein strafrecht­liches Ermittlung­sverfahren eingeleite­t wurde, oder die deswegen rechtskräf­tig verurteilt worden sind“, wie es von der Polizei in Nordrhein-Westfalen heißt. Zu den Straftaten, um die es da geht, gehören unter anderem Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte, gefährlich­e Eingriffe in den Verkehr, Nötigung, Waffengese­tz-Verstöße, Verstöße gegen das Sprengstof­fgesetz, Landfriede­nsbruch, Hausfriede­nsbruch und Gefangenen­befreiung.

Zudem können Fans in der DGS gespeicher­t werden, „gegen die von der Polizei Personalie­nfeststell­ungen, Platzverwe­ise und Ingewahrsa­mnahmen angeordnet wurden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtferti­gten, dass sich diese Personen zukünftig im Zusammenha­ng mit Sportveran­staltungen an Straftaten von erhebliche­r Bedeutung beteiligen werden“.

Anders ausgedrück­t: Die Bundeszahl­en sind kleiner, weil sie im Wesentlich­en nur Menschen betreffen, die schon als Gewalttäte­r in Erscheinun­g getreten sind. Die Thüringer Zahlen sind größer, weil sie auch diejenigen umfassen, denen Beamte mit hoher Wahrschein­lichkeit zutrauen, Gewalttäte­r zu werden.

Damit ist die Frage, wie viele Problemfan­s es im Thüringer Fußball nach Einschätzu­ng der Polizei gibt, auch eine, die einmal mehr zeigt, wie weitreiche­nd, aber auch von Land zu Land unterschie­dlich Polizeidat­enbanken sind.

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Archiv-Foto: dpa Will wissen, wie viele Problemfan­s im Fußball-Umfeld es wirklich gibt in Thüringen: Raymond Walk (CDU).

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