Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Das Zahlenspiel um die Problemfans beim Fußball
Landespolizei hält etwa 650 Thüringer im sportlichen Umfeld für mehr oder weniger gewaltbereit – Der Bund zählt nur halb so viele, weil er anders rechnet
Zwischen den Zahlen des Thüringer Innenministeriums und denen des Bundesinnenministeriums mit Blick auf gewaltbereite Fußballfans im Freistaat klafft eine ziemliche Lücke. So scheint es jedenfalls, wenn man sich zwei Antworten ansieht, die in den vergangenen Monaten aus den beiden Ressorts auf parlamentarische Anfragen erfolgt sind.
Das Thüringer Innenministerium antwortete jüngst auf eine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Raymond Walk, die Landespolizei gehe derzeit im Freistaat insgesamt von etwa 650 sogenannten Problemfans bei Thüringer Fußballvereinen aus. Etwa 150 von ihnen würden sogar als sogenannte KategorieC-Fans gelten, weil sie immer wieder gezielt gewalttätige Auseinandersetzungen suchten. Die übrigen etwa 500 Problemfans würden von der Polizei der Kategorie B von Gewalttätern im Sport zugeordnet: Sie seien nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden im Land ebenfalls gewaltbereit und neigten gelegentlich und anlassbezogen zu Gewalttätigkeiten, heißt es in der Antwort des Thüringer Innenministeriums.
Das Bundesinnenministerium antwortete dagegen auf eine Kleine Anfrage des GrüneBundestagsabgeordneten Konstantin von Notz, in Thüringen gebe es 362 gewaltbereite Fußballfans – was im Bundesländervergleich relativ viel ist, denn in Berlin, wo etwa doppelt so viele Menschen wie im Freistaat leben, soll es demnach 351 gewaltbereite Fußballfans geben. In Brandenburg – das nur einige hunderttausend Einwohner mehr hat als der Freistaat – sind es diesen Angaben nach 152 gewaltbereite Fußballfans.
Dieser Widerspruch ist tatsächlich aber nur ein scheinbarer, wenn die Datenbasis für die jeweiligen Antworten betrachtet wird. Wenn auch Land wie Bund über Problemfans sprechen, bezieht sich das Thüringen Ministerium nach Angaben eines seiner Sprecher jedoch auf eigene Erkenntnisse der Landespolizei. Im Freistaat würden demnach auch Personen als Problemfans erfasst, die nach Einschätzung der Polizei zur Gewalt neigen, aber noch nicht rechtskräftig verurteilt worden sind. In die Thüringer Rechnung werden zum Beispiel auch solche Problemfans einsortiert, die noch nicht selbst zugeschlagen haben, aber sich regelmäßig bei Fangruppen aufhalten, aus denen heraus es Gewalttaten gegeben hat. Mitgezählt werden kann auch, wem bislang trotz aller Nähe zu solchen Gruppen noch keine Gewalttat nachzuweisen war.
Die Angaben des Bundesinnenministeriums dagegen beziehen sich auf Menschen, die in der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“(DGS) gespeichert sind. Die wird bundesweit geführt von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, die beim Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste in Duisburg verwaltet wird. Darin sind – anders als bei den Thüringer Einschätzungen – vorrangig Problemfans erfasst, gegen die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen bereits „ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, oder die deswegen rechtskräftig verurteilt worden sind“, wie es von der Polizei in Nordrhein-Westfalen heißt. Zu den Straftaten, um die es da geht, gehören unter anderem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Eingriffe in den Verkehr, Nötigung, Waffengesetz-Verstöße, Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz, Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch und Gefangenenbefreiung.
Zudem können Fans in der DGS gespeichert werden, „gegen die von der Polizei Personalienfeststellungen, Platzverweise und Ingewahrsamnahmen angeordnet wurden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sich diese Personen zukünftig im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen an Straftaten von erheblicher Bedeutung beteiligen werden“.
Anders ausgedrückt: Die Bundeszahlen sind kleiner, weil sie im Wesentlichen nur Menschen betreffen, die schon als Gewalttäter in Erscheinung getreten sind. Die Thüringer Zahlen sind größer, weil sie auch diejenigen umfassen, denen Beamte mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrauen, Gewalttäter zu werden.
Damit ist die Frage, wie viele Problemfans es im Thüringer Fußball nach Einschätzung der Polizei gibt, auch eine, die einmal mehr zeigt, wie weitreichend, aber auch von Land zu Land unterschiedlich Polizeidatenbanken sind.