Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Pomp und Provokation
Bei seinem GroßbritannienBesuch düpiert Trump Premierministerin May – und besucht Königin Elisabeth II.
Hunderttausende Briten gehen auf die Straße, um zu zeigen, wie wenig sie vom Besuch des US-amerikanischen Präsidenten in ihrem Land halten – aber bei Queen Elizabeth II. gibt es für Donald Trump einen freundlichen Empfang: Die Monarchin begrüßt Trump und First Lady Melania am späten Freitagnachmittag mit militärischen Ehren im Innenhof von Schloss Windsor. Und sie lächelt, als sie dem US-Präsidenten und seiner Frau die Hand schüttelt. Gardisten spielen die amerikanische Nationalhymne, dann lädt die Königin ins Schloss zum Tee – immerhin für eine ganze Stunde.
Trump hält sich derzeit für mehrere Tage in Großbritannien auf. Noch vor seiner Landung im Vereinigten Königreich hatte er verkündet: „Die Briten können mich mächtig gern leiden.“Doch Hundertausende von Demonstranten auf den Straßen Londons und anderer britischer Städte protestieren gegen den umstrittenen Besuch. Und mehr als 70 Prozent bekunden in einer Meinungsumfrage, dass sie mit dem Herrn des Weißen Hauses nichts am Hut haben.
In einem Interview, das er noch vor seiner Ankunft dem britischen Massenblatt „Sun“gibt, lässt Trump eine Bombe nach der anderen hochgehen. Er erzählt, dass er Premierministerin Theresa May vergeblich vor der Aufweichung des Brexit gewarnt hätte, aber sie nicht auf ihn hören wollte. Es grenzt schon an eine Aufforderung zum „Regimewechsel“, als er Mays Widersacher, den zurückgetretenen Außenminister Boris Johnson, in den höchsten Tönen lobt und ihn als „ausgezeichneten Premierminister“empfiehlt.
Bei der Pressekonferenz mit May gleicht der breit lachende Präsident aber nicht mehr dem nörgelnden Riesenbaby, das als Ballon in London zu seiner Begrüßung aufgelassen wird. Wohl beeindruckt von dem Pomp und Bombast, den die britische Regierungschefin als Ersatz für den immer wieder aufgeschobenen offiziellen Staatsbesuch beim Festmahl in Schloss Blenheim entfaltete, machte Trump nun eine drastische Kehrtwendung. Er spielte die Dramatik seiner Worte herunter, nennt sein eigenes Interview „Fake News“und behauptet, seine Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er versichert, die USA wollten Handel treiben mit Großbritannien, egal, wie die Brexit-Verhandlungen ausgingen. „Was auch immer Sie tun werden, ist für uns in Ordnung, stellen Sie nur sicher, dass wir zusammen Handel treiben können, das ist das einzige, was zählt“, sagt der Präsident.
Beide kritisieren Merkels RusslandPolitik
May kämpft mit den Tränen. So richtig zu sich findet sie erst, als die beiden Deutschlands Gasgeschäfte mit Russland kritisieren. Eine „furchtbare, furchtbare Sache“sei das, schimpft Trump, eine „Tragödie“. May verspricht, das Thema in der EU anzusprechen – solange man noch dazugehöre.
Auch die Einwanderungspolitik in Europa und insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert Trump erneut scharf. „Ich denke, es ist eine sehr negative Sache für Europa“, sagt er. Die Migration verändere die Kultur in Europa. „Ich habe eine großartige Beziehung zu Angela Merkel“, meint Trump weiter. „Aber ich denke, es ist sehr stark ihr Deutschland, es ist sehr ihr ...“Er lässt den Satz unvollendet. Er sage es aber und er sage es laut. Er rate den Europäern, auf sich aufzupassen. Viele Länder hätten nun durch Einwanderung Probleme, die sie zuvor nicht gehabt hätten.
Die viel beschworene „besondere Beziehung“zwischen London und Washington hat einen historischen Tiefpunkt erreicht. May steckt mitten in einer Regierungskrise. Unbeliebt wie keiner seiner Vorgänger: In London formierte sich Protest gegen den US-Präsidenten. War Trump bei seinem „Sun“-Interview wirklich nur gedankenlos? Spekuliert wird in britischen Medien auch, er habe sich vor den Karren der Brexit-Hardliner spannen lassen. Trump sät Zwietracht. Um die Konsequenzen, die seine Worte für May haben, scherte er sich augenscheinlich nicht. Der US-Präsident zieht mit der Abrissbirne durch Europa. Erst trieb er die Nato bei ihrem Gipfel an den Rand des Abgrunds, nun befeuert er die Regierungskrise in London.
Erst war es Merkel, die er ins Visier nahm, dann May, nun wieder Merkel. Beides geht letztendlich gegen die EU, an deren Schwächung Trump bei seiner „America First“-Politik ein Interesse hat. Er begreift sie nicht als Verbündeten, sondern als Konkurrenten.
Von den Demonstrationen sieht Trump praktisch nichts, weil er einen weiten Bogen um London macht.
Er liebe zwar London, sagt er. „aber ich komme nicht in eine Stadt, in der ich nicht willkommen bin“.