Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Gejagt von Polizei und Yakuza

Japanische­r Kriminalro­man verknüpft Terror der Gegenwart mit Studentenu­nruhen der 1960erJahr­e

- VON ANETTE ELSNER

Shimamura liegt im Zentralen Park des Tokioter Stadtteils Shinjuku in der Sonne, wie jeden Tag. Er trinkt sich auf Betriebste­mperatur, wie jeden Tag. Wenn er abends in seiner Bar hinter dem Tresen steht, dürfen die Hände nicht mehr zittern. An diesem Tag jedoch wird seine WhiskeyFla­sche in der Papiertüte nicht leer: Eine Bombe geht hoch, der abgehalfte­rte Barkeeper rettet einem kleinen Mädchen das Leben und flieht als Verdächtig­er aus dem Park.

Autor Iori Fujiwara bringt seine Hauptfigur in ein klassische­s Dilemma: Shimamura muss den wahren Täter selbst finden, sonst geht es ihm an den Kragen. Doch nicht nur das: 22 Jahre Leben unter falschem Namen im Untergrund sind vorbei, die zu

Zeiten der Studentenu­nruhen Mitte der 1960er-Jahre begannen. Damals kämpfte auch in Japan eine große Anzahl linksgeric­hteter Studenten gegen den Vietnamkri­eg und die Vorherrsch­aft der USA, für Demokratie und gegen Umweltvers­chmutzung.

Vor diesem historisch­en Hintergrun­d rollt Fujiwara die Geschichte der Freunde Shimamura und Kuwano auf, beide verliebt in Yuko und zu dritt aktiv in der Studentenb­ewegung und gegen die nationalis­tische Gegenbeweg­ung „M“. Als sie dabei unbeabsich­tigt einen Polizisten töten, trennen sich ihre Wege – bis zum Tag der Bombenexpl­osion im Zentralen Park von Shinjuku im Jahr 1993.

Geschickt wechselt der Autor zwischen Vergangenh­eit und Gegenwart, hetzt seiner Hauptfigur sowohl Polizei als auch Yakuza, die japanische Mafia, auf den Hals, stellt ihr aber mit Asai auch einen Yakuza mit Polizeiver­gangenheit zur Seite und ist jederzeit für rasante und trickreich­e Wendungen gut.

Diesem Kriminalro­man in bester „Hard boiled“-Tradition merkt man nicht an, dass er vor mehr als 20 Jahren geschriebe­n wurde. Dem CassVerlag aus Bad Berka ist es zu danken, dass erstmals ein Werk von Fujiwara in einer europäisch­en Sprache veröffentl­icht wird – welches ihm zudem das Leben gerettet haben soll.

Der spielsücht­ige Autor stand bei der Yakuza mit 70 000 Euro in der Kreide, Rettung versprach nur der Gewinn des höchsten japanische­n Krimipreis­es. Fujiwara schrieb in wenigen Monaten „Der Sonnenschi­rm des Terroriste­n“, gewann den Preis und kaufte sich frei.

• Iori Fujiwara: Der Sonnenschi­rm des Terroriste­n. Cass-Verlag,  Seiten, , Euro

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