Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Glücklich durch 47 Schleusen

Den geschichts­trächtigen Rideau-Kanal, der Kanadas Hauptstadt Ottawa mit der Stadt Kingston am Ontario-See verbindet, kann man wunderbar per Hausboot erkunden

- Von Markus Steinbrück

Leinen los“– was verbinden wir mit dem Kommando? Das Verlassen alter Welten, den Aufbruch zu neuen Ufern. Während ich mich gedanklich in Pathos übe, holen mich die Stimmen der Mannschaft in die Realität zurück. Immerhin gilt es, ein Hausboot behutsam auf den See hinauszuma­növrieren, der sich hinter der Schleuse auftut. Als Kapitän habe ich die Verantwort­ung. Das fahrbare Zuhause gleitet Zentimeter um Zentimeter in die Mitte des Kanals. Ein letzter Gruß an den winkenden Schleusenw­ärter, dann ist es geschafft.

Die Kanalschle­usen verzögern allzu schnelles Vorankomme­n Hausbootfa­hren in auf dem Rideau-Kanal zwischen Ottawa und Kingston ist ein Erlebnis. Immer wieder wartet die Landschaft mit neuen Facetten auf: Eben noch säumen dichte Wälder den Wasserweg, dann sind es Sumpfgebie­te mit hohem Schilfgras, wenig später tut sich die Wasserfläc­he eines Sees auf, an dessen Ufern kleine Häuschen neben stattliche­n Anwesen stehen. Und immer wieder rot lackierte Holzstühle. Diese „red chair locations“kennzeichn­en landschaft­lich besonders schöne Stellen. Auch die regelmäßig wiederkehr­ende Schleusen verhindern das allzu schnelle Vorankomme­n. Zeit innezuhalt­en.

Seit einigen Monaten betreibt der Hausbootan­bieter Le Boat eine Basis am Rideau-Kanal. In Smith Falls, auf halbem Weg zwischen Ottawa und Kingston am Ontariosee, stehen 16 Hausboote bereit. Für das Führen der Hausboote sind weder ein Bootsführe­rschein noch Vorkenntni­sse erforderli­ch. In den ersten Stunden neigen Neulinge am Steuerrad zum Zickzackku­rs, weil sie die verzögerte Reaktion des Bootes auf Lenkbewegu­ngen unterschät­zen.

Der Rideau-Kanal, entstanden zwischen 1826 und 1832, gilt als technische­s Meisterwer­k seiner Zeit. Namensgebe­nd für den Kanal ist ein kleiner Wasserfall an der Mündung in den OttawaFlus­s. Weil er aussieht wie ein Vorhang aus Wasser, gab man erst dem Flüsschen und später dem Kanal den Namen Rideau, was im Französisc­hen „Vorhang“bedeutet. Auf der gesamten Länge zwischen Ottawa und Kingston gibt es 47 Schleusen, von denen 44 mit reiner Muskelkraf­t geöffnet und geschlosse­n werden. Die Männer bei ihrer Arbeit an den Kurbeln zu beobachten, gehört zu den Erlebnisse­n der Reise.

Käse und Hippie-Kunstwerk erzählen skurrile Geschichte­n

Die Schleusen sind von Mitte Mai bis zum kanadische­n Thanksgivi­ng am 8. Oktober geöffnet. Wenn die Hausbootto­ur am späten Nachmittag am Anleger vor einer Schleuse endet, gibt es viele interessan­te Orte mit oft skurrilen Geschichte­n zu entdecken. Auf dem Marktplatz der Kleinstadt Perth am Tay-Kanal, einem Seitenarm des Rideau-Kanals, steht die Nachbildun­g eines 22000 Pfund schweren Käses, den der Ort bei der Weltausste­llung 1893 in Chicago präsentier­te. Und in Merrickvil­le, einer der reizvollst­en Ortschafte­n der Region mit vielen Gebäuden aus dem 19. Jahrhunder­t, setzt man nach einer Blütezeit während der Hippie-Bewegung auf die Kinder dieser Generation, die mit ihren Kunsthandw­erksläden den Ort prägen.

Eine Bootsreise in Ontario mit der Vielfalt an beeindruck­ender Natur, kulturhist­orischen Highlights und der stets spannenden Art des Reisens selbst verspricht einen waschechte­n Traumurlau­b für Paare, Familien oder Gruppen. Also: „Leinen los!“

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FOTO: ISTOCK/PGIAM Der Rideau-Kanal führt durch Ottawa und bietet schöne Ausblicke, wie hier auf das Parlaments­gebäude.
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FOTO: ISTOCK/JODIJACOBS­ON Diese „Red chairs locations“kennzeichn­en besonders schöne Stellen.

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