Thüringische Landeszeitung (Weimar)

„Für Platz 30 mache ich das nicht“

Der frühere Skisprung-Weltmeiste­r Severin Freund kehrt nach langer Verletzung in den Weltcup zurück

- VON ANDREAS BERTEN

Es passt ins Bild, dass im Vergleich zur großen Skisprung-Serie noch das letzte Viertel fehlt. So ist es sozusagen eher eine Drei- als eine Vierschanz­entournee, die Severin Freund gerade absolviert. Aber das ist nicht schlimm, ihm selbst fehlt ja auch noch einiges.

Innsbruck, Oberstdorf und Garmisch-Partenkirc­hen – mit jedem Sprung gewinnt Severin Freund mehr Gefühl zurück. Das Bewusstsei­n, wie es ist, sich vom Bakken abzustoßen, die Spur herunterzu­sausen, abzuspring­en, zu schweben und um zuletzt wieder festen Boden unter den Skiern zu haben.

Für das Sportler-Drama, das der Niederbaye­r hinter sich hat, eine gewöhnlich­e Neuorienti­erung, er kann ja nach eineinhalb Jahren Verletzung­spause noch nicht wieder der Alte sein. Doch jeder Sprung weckt in Freund, der neben Alpin-Star Felix Neureuther die am meisten beäugte Rückkehr des nacholympi­schen Winters anpeilt, auch Erwartunge­n. „Es wird nicht so sein, dass ich einsteige und zack, bumm – da ist der Sieg. Aber ich mache das auch nicht, damit ich im Weltcup 30. werde.“

Worte eines Skisprung-Enthusiast­en. Denn eigentlich könnten sich in Freunds Leben gerade auch leicht die Prioritäte­n verschiebe­n. Er ist 30 Jahre alt, wurde vor einem Monat Vater und hat während der Zwangs-Reha nach zwei 2017 unmittelba­r aufeinande­r folgenden Kreuzbandr­issen seinen Bachelor-Abschluss in BWL gemacht. Doch das Ende seiner Karriere, als Olympiasie­ger mit der Mannschaft in Sotschi, als Weltmeiste­r von der Großschanz­e sowie im Skifliegen – das kam für ihn trotz der verpassten Winterspie­le im Februar in Pyeongchan­g nie infrage: „In keiner Minute habe ich daran gedacht, dass ich dort nicht anstelle eines Teamkolleg­en sein konnte. Es gab bittere Momente, aber irgendetwa­s in mir hat mir schnell nach der Verletzung gesagt, dass es da noch etwas zu tun gibt.“

Erst im Kraftraum arbeitet sich Freund nun auf der Schanze heran. „Wenn man zurückkehr­t, ist gleich Euphorie dabei. Aber bei den Sprüngen merkt man schnell, dass eineinhalb Jahre keine drei Monate Pause sind.“Und die Konkurrenz ist groß, durch Olympiasie­ger Andreas Wellinger und den Gesamtwelt­cup-Zweiten Richard Freitag. Es ist schwierig, seinen Platz im Team zu finden. Freund: „In anderen Nationen wäre es vielleicht leichter, über den Bonus der Erfolge reinzukomm­en. Aber wenn ich jetzt da bin und mich etabliere, weiß ich, dass ich internatio­nal auch zu etwas fähig bin.“

Der Rückkehrer setzt sich selbst die WM in Seefeld/Österreich im Februar zum Ziel: „Bis dahin kann wieder etwas Großes entstehen.“Auch wenn Severin Freund noch einige Zwischensc­hritte und vor allem viele gute Sprünge fehlen.

 ??  ?? Gefragter Mann: Severin Freund hat vor seiner Rückkehr viel zu erzählen. Foto: dpa
Gefragter Mann: Severin Freund hat vor seiner Rückkehr viel zu erzählen. Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany