Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Stadtrat gegen Jungen-Wohngruppe
Kranichfeld verweigert gemeindliches Einvernehmen zu einem Projekt des Trägers KiJuLa mit schwer Erziehbaren
Für Diskussionen und Aufregung sorgt zurzeit in Kranichfeld die Zukunft des „Alten Kurhauses“: Die in Weimar ansässige Kinder- und Jugendland gGmbH (KiJuLa), ein freier Träger der Jugendhilfe und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband, hat die ehemalige Gaststätte und Pension vom privaten Eigentümer gekauft und begann in dieser Woche mit Umzugsarbeiten. Die KiJuLa verlegt ihre intensiv-pädagogische Jungen-Wohngruppe von Vieselbach nach Kranichfeld und will den Standort zu ihrem „Mutterhaus“ausbauen – so formuliert es der jüngste Newsletter des Unternehmens. Der Kranichfelder Stadtrat verweigerte allerdings in seiner Sitzung am Donnerstagabend das gemeindliche Einvernehmen. Elf Abgeordnete stimmten gegen die entsprechende Vorlage, zwei enthielten sich der Stimme.
Die Stadt sei relativ kurzfristig mit der Problematik konfrontiert worden, schilderte zuvor der Vorsitzende der Verwaltungsgemeinschaft Kranichfeld, Fred Menge. Vor wenigen Wochen hätten sich die beiden KiJuLa-Geschäftsführer Christian und Wolfgang Schlenstedt zu einem Termin bei Bürgermeister Enno Dörnfeld (CDU) angemeldet und dort ihr Vorhaben in kompakter Form vorgestellt. Die künftig in Kranichfeld lebenden Jugendlichen darf man wohl „Härtefälle“nennen: Ihr pädagogischer Betreuungsbedarf liege „deutlich über den Möglichkeiten einer Regelwohngruppe“, heißt es im Grundkonzept der Einrichtung. 12- bis 18-jährige Jungen aus zerrütteten Familien, die andere stationäre Maßnahmen abbrachen, die beispielsweise Psychiatrie-Aufenthalte hinter sich haben, dissoziale oder aggressive Verhaltensweisen zeigen. Sie finden bei KiJuLa rund um die Uhr „ein sehr engmaschiges und intensives Beziehungsangebot, das es kaum zulässt, die vorgegebenen Strukturen und Regeln zu unterlaufen“.
Menge, der mit in dieser Besprechung saß, wies die KiJuLaChefs darauf hin, dass sie für die Nutzungsänderung von einer ehemaligen Gaststätte und Herberge zur Jugendhilfe-Einrichtung laut Bau-Gesetzbuch zwingend eine Baugenehmigung benötigen. Das gemeindliche Einvernehmen ist Teil des Genehmigungsverfahrens.
Im Stadtrat gab es fast ausschließlich skeptische Stimmen zu hören. CDU-Mann Sven Steinkraus hatte nicht nur Informationen über das Projekt zusammengetragen, sondern probeweise im Umfeld des „Alten Kurheims“am südlichen Ortsausgang schon Unterschriften gesammelt. „Weit über 90 Prozent“der Anwohner dokumentierten dabei ihre Ablehnung.“Fred Menge verwies darauf, dass die KiJuLa-Schützlinge künftig die Schulen der Region besuchen, Frank Ulbrich (Aktiv für Kranichfeld) auf die brisante direkte Nachbarschaft des Kurheims: eine Spielothek und ein Swingerclub. Alle versicherten daneben eifrig, dass man sich dennoch der Bedeutung der Aufgabe bewusst sei, Kinder aus schwierigen Verhältnissen in die Gesellschaft zu integrieren.
Welche Konsequenzen das Nein des Stadtrates haben wird, ist allerdings nicht sicher: Genehmigende Behörde ist die Untere Bauaufsicht im Landratsamt. Die muss das versagte gemeindliche Einvernehmen nun einordnen, derweil KiJuLa bereits Fakten geschaffen hat.
Vor Aufruf dieses Tagesordnungspunktes hatte übrigens Enno Dörnfeld die Runde verlassen: Der Bürgermeister, im Hauptberuf Geschäftsleiter im Amtsgericht Rudolstadt, sah einen Konflikt zwischen seiner „beruflichen, ethischen und humanistischen Einstellung“sowie der Verpflichtung, als Bürgermeister „Sorgen und Ängste von Bürgern aufzunehmen und Schaden von der Stadt Kranichfeld abzuwenden“. • •