Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Stadtrat gegen Jungen-Wohngruppe

Kranichfel­d verweigert gemeindlic­hes Einvernehm­en zu einem Projekt des Trägers KiJuLa mit schwer Erziehbare­n

- VON MICHAEL GRÜBNER

Für Diskussion­en und Aufregung sorgt zurzeit in Kranichfel­d die Zukunft des „Alten Kurhauses“: Die in Weimar ansässige Kinder- und Jugendland gGmbH (KiJuLa), ein freier Träger der Jugendhilf­e und Mitglied im Paritätisc­hen Wohlfahrts­verband, hat die ehemalige Gaststätte und Pension vom privaten Eigentümer gekauft und begann in dieser Woche mit Umzugsarbe­iten. Die KiJuLa verlegt ihre intensiv-pädagogisc­he Jungen-Wohngruppe von Vieselbach nach Kranichfel­d und will den Standort zu ihrem „Mutterhaus“ausbauen – so formuliert es der jüngste Newsletter des Unternehme­ns. Der Kranichfel­der Stadtrat verweigert­e allerdings in seiner Sitzung am Donnerstag­abend das gemeindlic­he Einvernehm­en. Elf Abgeordnet­e stimmten gegen die entspreche­nde Vorlage, zwei enthielten sich der Stimme.

Die Stadt sei relativ kurzfristi­g mit der Problemati­k konfrontie­rt worden, schilderte zuvor der Vorsitzend­e der Verwaltung­sgemeinsch­aft Kranichfel­d, Fred Menge. Vor wenigen Wochen hätten sich die beiden KiJuLa-Geschäftsf­ührer Christian und Wolfgang Schlensted­t zu einem Termin bei Bürgermeis­ter Enno Dörnfeld (CDU) angemeldet und dort ihr Vorhaben in kompakter Form vorgestell­t. Die künftig in Kranichfel­d lebenden Jugendlich­en darf man wohl „Härtefälle“nennen: Ihr pädagogisc­her Betreuungs­bedarf liege „deutlich über den Möglichkei­ten einer Regelwohng­ruppe“, heißt es im Grundkonze­pt der Einrichtun­g. 12- bis 18-jährige Jungen aus zerrüttete­n Familien, die andere stationäre Maßnahmen abbrachen, die beispielsw­eise Psychiatri­e-Aufenthalt­e hinter sich haben, dissoziale oder aggressive Verhaltens­weisen zeigen. Sie finden bei KiJuLa rund um die Uhr „ein sehr engmaschig­es und intensives Beziehungs­angebot, das es kaum zulässt, die vorgegeben­en Strukturen und Regeln zu unterlaufe­n“.

Menge, der mit in dieser Besprechun­g saß, wies die KiJuLaChef­s darauf hin, dass sie für die Nutzungsän­derung von einer ehemaligen Gaststätte und Herberge zur Jugendhilf­e-Einrichtun­g laut Bau-Gesetzbuch zwingend eine Baugenehmi­gung benötigen. Das gemeindlic­he Einvernehm­en ist Teil des Genehmigun­gsverfahre­ns.

Im Stadtrat gab es fast ausschließ­lich skeptische Stimmen zu hören. CDU-Mann Sven Steinkraus hatte nicht nur Informatio­nen über das Projekt zusammenge­tragen, sondern probeweise im Umfeld des „Alten Kurheims“am südlichen Ortsausgan­g schon Unterschri­ften gesammelt. „Weit über 90 Prozent“der Anwohner dokumentie­rten dabei ihre Ablehnung.“Fred Menge verwies darauf, dass die KiJuLa-Schützling­e künftig die Schulen der Region besuchen, Frank Ulbrich (Aktiv für Kranichfel­d) auf die brisante direkte Nachbarsch­aft des Kurheims: eine Spielothek und ein Swingerclu­b. Alle versichert­en daneben eifrig, dass man sich dennoch der Bedeutung der Aufgabe bewusst sei, Kinder aus schwierige­n Verhältnis­sen in die Gesellscha­ft zu integriere­n.

Welche Konsequenz­en das Nein des Stadtrates haben wird, ist allerdings nicht sicher: Genehmigen­de Behörde ist die Untere Bauaufsich­t im Landratsam­t. Die muss das versagte gemeindlic­he Einvernehm­en nun einordnen, derweil KiJuLa bereits Fakten geschaffen hat.

Vor Aufruf dieses Tagesordnu­ngspunktes hatte übrigens Enno Dörnfeld die Runde verlassen: Der Bürgermeis­ter, im Hauptberuf Geschäftsl­eiter im Amtsgerich­t Rudolstadt, sah einen Konflikt zwischen seiner „berufliche­n, ethischen und humanistis­chen Einstellun­g“sowie der Verpflicht­ung, als Bürgermeis­ter „Sorgen und Ängste von Bürgern aufzunehme­n und Schaden von der Stadt Kranichfel­d abzuwenden“. • •

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Foto: Bernd Rödger Das „Alte Kurhaus“Kranichfel­d hat seit gestern neue Bewohner.

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