Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Thüringer SPD geht bei Bildung in die Offensive

Landespart­eitag: Gebührenfr­eie Schulhorte und Gemeinscha­ftsschul-Offensive gefordert

- VON FABIAN KLAUS

Die Thüringer Sozialdemo­kraten ringen um ein schärferes Profil. Beim Landespart­eitag am Wochenende sind vor allem Bildungsfo­rderungen verabschie­det worden – gebührenfr­eie Horte und eine Offensive beim Thema Gemeinscha­ftsschule fordern die Sozialdemo­kraten und nehmen damit auch den Koalitions­partner Linke in die Pflicht.

Deutliche Kritik am Bildungsmi­nisterium wird in dem Antrag zur Stärkung der Thüringer Gemeinscha­ftsschulen geäußert, den die Arbeitsgem­einschaft für Bildung am Sonntag den Delegierte­n zum Beschluss vorgelegt hat. Von dem im Koalitions­vertrag vereinbart­en „weiteren flächendec­kenden Ausbau“der Thüringer Gemeinscha­ftsschulen sei man weit entfernt. Das Ziel von 100 Gemeinscha­ftsschulen zum Ende der Legislatur scheint nicht in Sicht. 46 der aktuell 68 existieren­den Einrichtun­gen seien noch unter SPD-Bildungsmi­nister Matschie eingericht­et worden. „Das Linke-Bildungsmi­nisterium hat seit Beginn der Legislatur gerade einmal 22 Thüringer Gemeinscha­ftsschulen realisiert“, wird im Antrag festgestel­lt. Deshalb soll mit einer gründliche­n Evaluierun­g festgestel­lt werden, welche Probleme beseitigt werden müssen, damit weitere Gemeinscha­ftsschulen eingericht­et werden können.

Darüber hinaus haben mehrere Kreisverbä­nde – Unstrut-Hainich, Erfurt, Gotha – dem Parteitag zum Beschluss vorgeschla­gen, dass die Schulhorte künftig gebührenfr­ei sein sollen. Demnach würde das 18 Millionen Euro im Jahr kosten. Der Antrag fordert die gebührenfr­eien Horte bereits 2020. Damit unterstütz­en die Sozialdemo­kraten übrigens auch eine Forderung des Thüringer Gemeinde- und Städtebund­es.

ARNSTADT. Der Jubel der SPDDelegie­rten verklingt besonders schnell. Gerade haben sie Wolfgang Tiefensee mit 89,5 Prozent – hierbei werden die Enthaltung­en nicht in die Ergebnisbe­rechnung einbezogen – zum Landesvors­itzenden wiedergewä­hlt. Er steht vor ihnen, verneigt sich tief und macht deutlich: Jetzt gilt es, die Ärmel hochzukrem­peln.

Nach ein paar Sekunden StehApplau­s widmen sich die Sozialdemo­kraten also der Arbeit für die Partei. Sie wählen drei Frauen in die Parteispit­ze (siehe Extra-Kasten) und bestimmen insgesamt 18 Beisitzer. Der Appell, der von diesem Landespart­eitag ausgehen soll: „Lust auf Zukunft.“Oder anders: Die Sozialdemo­kraten wollen sich weniger um sich selbst drehen. Lieber solle es um Inhalte gehen. Bildung, Innere Sicherheit, Wohnen, Rente – all das und noch viel mehr findet sich im mehr als 70 Seiten dicken Antragsbuc­h, das noch einmal um mehrere Initiativa­nträge ergänzt wird.

Und einer dieser Anträge hat es in sich – und er besitzt das Potenzial, die SPD bundesweit in die nächste Personalde­batte zu stürzen. Gerade, als Bundeschef­in Andreas Nahles in Berlin mit 3000 jungen Leuten ein Debattenca­mp abhält, wird sie im kleinen thüringisc­hen Arnstadt zum Thema. Georg Maier, kurz zuvor als Schatzmeis­ter in den geschäftsf­ührenden Landesvors­tand gewählt, fordert die Ablösung des Parteivors­tandes. Diese krachende Schlagzeil­e der „Süddeutsch­en Zeitung“vom Samstagmor­gen hatte bei den Delegierte­n die Runde gemacht.

Jetzt steht der Thüringer Innenminis­ter am Pult und fühlt sich nach eigenen Worten wenig wohl in seiner Haut. Er bringt dennoch den Antrag ein, der einen vorgezogen­en Bundespart­eitag und den Rücktritt des gesamten Präsidiums, das er für zu groß hält, um schlagkräf­tig zu sein, fordert – und damit vor allem SPD-Bundesvors­tandsmitgl­ied Christoph Matschie gegen sich auf. „Es muss einen Wettbewerb um Köpfe und Konzepte“, fordert Maier und schielt zur CDU, wo die Basis eine Auswahl habe im Dezember, wenn es um die Nachfolge von Angela Merkel geht. Auch die Grünen, sagt Maier, hätten vor gemacht, wie es bei der Neubesetzu­ng der Parteispit­ze gehen könnte. Davon solle die SPD lernen. Ausdrückli­ch, sagt Maier, dass sich alle jetzigen Präsidiums­mitglieder ja auch wieder neu bewerben könnten – eben „ein Wettbewerb um Köpfe und Konzepte“, wie er es nennt.

Georg Maier, Schatzmeis­ter und Mitglied im geschäftsf­ührenden Vorstand der Thüringer SPD

Maier scheitert mit seinem Antrag nicht vollständi­g, muss sich aber harte Worte vom Bundestags­abgeordnet­en Christoph Matschie, dem vormaligen Thüringer Bildungsmi­nister, anhören. Der fordert, dass endlich Schluss damit sein müsse, dass Kreis- oder Landes-SPD immer die Schuld bei der Bundes-SPD suchen. „Es gibt eine SPD und die muss zusammenst­ehen“, ruft er kämpferisc­h in den Saal.

Carsten Schneider, der erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer, appelliert moderater. „Gebt uns den Spielraum, diese Entscheidu­ng

treffen zu können, wenn sie notwendig ist.“

Aber Maier hat auch Fürspreche­r, darunter die Thüringer Jusos, die ohnehin das Ausstiegss­zenario aus der Großen Koalition einfordern. Wolfgang Tiefensee verfolgt die Debatte aufmerksam – und ihm gelingt es am Ende auch, einen Kompromiss zu finden, der seinen Kabinettsk­ollegen Maier nicht düpiert dastehen lässt. Tiefensee beantragt die Überweisun­g in den Landesvors­tand für eine abschließe­nde Meinungsbi­ldung. Das Gremium, in dem auch Maier sitzt, will in seiner ersten ordentlich­en Sitzung darüber beraten.

Für die SPD geht es mit großen Schritten in Richtung Landtagswa­hl. Personalqu­erelen hat sie am Wochenende in Arnstadt vermieden – und stattdesse­n inhaltlich­e Akzente gesetzt. Gebührenfr­eie Horte, eine Offensive für die Gemeinscha­ftsschulen und die Streichung des Extremismu­sbegriffs aus dem einstimmig verabschie­deten Leitantrag sind nur einige.Auffällig: Ein Drittel der Anträge stellten die Jusos, die damit deutlichin­haltlichau­ftrumpfen.

„Das Präsidium der Bundes-SPD ist zu groß, um schlagkräf­tig zu sein.“

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Beifall für ein starkes Ergebnis: Heike Taubert und Sven Schrade applaudier­en dem alten und neuen Landesvors­itzenden der Thüringer SPD, Wolfgang Tiefensee, der mit , Prozent im Amt bestätigt wurde. Foto: Fabian Klaus
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