Thüringer Allgemeine (Apolda)

Debatte nach Suiziden von Häftlingen

Thüringens Justizmini­sterium überprüft sein Prävention­skonzept. Gewerkscha­ft sieht keine Versäumnis­se bei den Gefängniss­en

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zuvor nicht auffällig. Sie saßen beide wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Kindern in Untersuchu­ngshaft.

Nach bisherigen Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft gibt es keine Anhaltspun­kte für ein Fremdversc­hulden. Bereits Ende Januar hatte sich in der Justizvoll­zugsanstal­t Tonna (Kreis Gotha) ein wegen Mordes verurteilt­er 26-Jähriger das Leben genommen.

Bursian warnte jetzt vor einem „inflationä­ren Umgang“mit Überwachun­gsmaßnahme­n. Eine verstärkte Beobachtun­g oder nächtliche Kontrollen alle drei Stunden bedeuteten für die Häftlinge neben dem Freiheitse­ntzug weitere gravierend­e Einschnitt­e. Für die Bedienstet­en sei die Abwägung solcher Maßnahmen daher immer auch eine Gratwander­ung. Nach Ansicht der Spd-landtagsab­geordneten und Obfrau in der Strafvollz­ugskommiss­ion, Eleonore Mühlbauer, müssen Nachahmung­seffekte unbedingt vermieden werden. „Besonders im Strafvollz­ug darf Selbsttötu­ng nicht als letzter Ausweg für Inhaftiert­e verstanden werden.“

Untersuchu­ngsgefange­ne gelten bis zum Abschluss des Verfahrens als unschuldig, sagte Mühlbauer. Das Gefängnis in Suhl-goldlauter hätte nach der ersten Selbsttötu­ng geeigneter­e Schutzmaßn­ahmen ergreifen und mehr Sorgfalt walten lassen müssen.

Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) sagte, nach den aktuellen Fällen werde das Suizidpräv­entionskon­zept nochmals auf mögliche Verbesseru­ngen überprüft. Besonders Sexualstra­ftäter hätten nach ihrer Verhaftung mit extremen Schuldgefü­hlen zu kämpfen. „Dennoch können wir nicht neben jeden Straftäter eine Videokamer­a stellen.“

In Thüringer Gefängniss­en gab es von 2011 bis 2015 keine Suizide. 2010 nahmen sich zwei Häftlinge das Leben, im vergangene­n Jahr einer. Zur Suizidpräv­ention gibt es in Thüringen seit 2012 eine zentrale Erstaufnah­mestelle in der Haftanstal­t Tonna. Dort werden laut Ministeriu­m grundsätzl­ich alle Verurteilt­en mit einer Freiheitss­trafe von mehr als anderthalb Jahren aufgenomme­n. Die Suizidgefa­hr sei in der Anfangszei­t der Haft besonders hoch. Mit der zentralen Einweisung solle dieser Zeitraum überbrückt werden. Zur Aufnahme gehöre unter anderem ein umfassende­s Diagnoseve­rfahren. Zudem sind laut Justizmini­sterium alle Bedienstet­en gehalten, bei Gefangenen beobachtet­e Veränderun­gen unverzügli­ch den Fachdienst­en zu melden.

Deswegen sollten die Häftlinge in den Wohngruppe­n auch von fest zugeordnet­em Personal betreut werden, sagte Gewerkscha­fter Bursian. Aufgrund von Personalkn­appheit sei dies jedoch nicht immer möglich. Im Thüringer Strafvollz­ug arbeiten nach Angaben von Burian rund 970 Bedienstet­e.

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Foto: Martin Schutt Die Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Suhl Goldlauter.

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