Thüringer Allgemeine (Apolda)

Erzieher sind hoch geachtet – in Finnland

Saalfelder­in leitete 20 Jahre eine bilinguale Kindertage­sstätte. Jetzt ist sie zurück und sieht in Thüringen großen Nachholbed­arf

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und ist mit rund 35 000 Einwohnern nur etwas größer als das hiesige Saalfeld.

Die 56-Jährige ist dankbar, dass sie als Pädagoge in der finnischen Früherzieh­ung so viele Jahre mitarbeite­n und so viel lernen konnte, sagt Silvia Stockmann. „In Finnland genießen die pädagogisc­hen Mitarbeite­r eine hohe gesellscha­ftliche Anerkennun­g. Und sie werden in die Erarbeitun­g der neuen Bildungspl­äne aktiv mit einbezogen, denn ein Bildungspl­an ist nur so gut wie seine praktische Umsetzung. Hier ist meiner Meinung nach die Politik in Thüringen mehr gefragt.“Sie sieht mit dem Erzieherma­ngel hierzuland­e eine besorgnise­rregende Situation entstanden und appelliert zugleich an die große Verantwort­ung der pädagogisc­hen Mitarbeite­r: „Ihre Arbeit verdient einen hohen gesellscha­ftlichen Stellenwer­t. Jeder kleine Mensch wird einmal erwachsen, und dann wird er das Spiegelbil­d seiner Kindheit sein“, sagt sie.

In Finnland haben alle Kinder von Geburt an einen Anspruch auf einen Betreuungs­platz. Die Kommunen sind verantwort­lich, einen Platz bereitzust­ellen – gehen die Eltern einer Arbeit nach, muss ihnen innerhalb von zwei Wochen ein Kita-platz angeboten werden. Sind die Eltern nicht erwerbstät­ig, dann binnen vier Monaten.

In finnischen Kindergärt­en werden in der Altersgrup­pe ab drei Jahren acht Kinder von einer pädagogisc­hen Vollzeitkr­aft betreut, ein Drittel der Fachkräfte sind Kindergart­enlehrer und verfügen über ein fünfjährig­es Hochschuls­tudium.

Als Silvia Stockmann – geboren und aufgewachs­en im ostthüring­ischen Unterloqui­tz – 1986 nach Finnland umzog, hatte sie eine Lehrerausb­ildung in der Tasche. Während des Studiums hatte sie einen Finnen kennen und lieben gelernt, brach mit ihm und dem gemeinsame­n Sohn in das für sie unbekannte Land auf, um ein neues Leben zu beginnen. „Ich habe damals kein Wort Finnisch gesprochen“, erinnert sie sich. Sie vertrat zunächst Lehrer an staatliche­n Schulen, half in Kindergärt­en aus. Gut zehn Jahre später, nach diversen Fortbildun­gskursen und einer kurzen Rückkehr in die alte Heimat, gründete sie 1997 in Kerava ihre eigene private und bilinguale Kindereinr­ichtung: das Spielhaus. Die Europäisch­en Union hatte zu dieser Zeit gerade ein zweijährig­es Projekt ausgeschri­eben, die kindliche Früherzieh­ung zu 30 Prozent zu privatisie­ren. Silvia Stockmann rührte die Werbetromm­el in der Öffentlich­keit, ein Verein wurde gegründet, der das Haus trägt.

Sie selbst wurde Leiterin und Geschäftsf­ührerin und begann mit sieben Kindern ihre Arbeit. Ein halbes Jahr später sind es schon 33 Jungen und Mädchen. Sie zieht in ein größeres Gebäude um. „Mein erster deutscher Praktikant kam übrigens aus Erfurt“, erinnert sie sich.

Bis September vergangene­n Jahres, ihrer Rückkehr nach Saalfeld, arbeitete Silvia Stockmann in Kerava. Sie hat dort einen angesehene­n und gut etablierte­n Kindergart­en hinterlass­en, in dem auch künftig die kleinen Schützling­e bestens auf das Leben und die Schule vorbereite­t werden.

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Silvia Stockmann () gründete im Jahre  die bilinguale Kindereinr­ichtung in Kerava.

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