Thüringer Allgemeine (Apolda)

Feridun Zaimoglu schaut Luther aufs Maul

Roman „Evangelio“in der Sprache des Mittelalte­rs. Autor liest aus seinem Buch am Montag in Erfurt

- Von Hanno Müller

„Wind weht vom Schlachtha­us Todgestank herüber, ich riech’s mit närrischer Lust. Spät ist’s und doch brennen im Haus die Lichter: Der Ketzer sitzt mit gekämmten Haar und Bart, das ein hoher Herr von ihm ein Bildnis mache...“Sind das jetzt Worte Luthers oder eines Zeitgenoss­en? Vielleicht sogar die des Malers Cranach? Nein, es ist der Schriftste­ller Feridun Zaimoglu, der sich für seinen Lutherroma­n „Evangelio“einer, seiner ganz eigenen Sprache befleißigt.

Es ist die Geschichte Luthers als Junker Jörg auf der Wartburg. Ein von Selbstzwei­feln, Teufelsanf­echtungen, Magenleide­n und Einsamkeit geplagter Reformator reibt sich am Exil und allerlei Misstrauen derer, die um ihn sind. Man darf wohl zurecht vermuten, dass dem Roman umfangreic­he Recherchen vorausging­en. Wer ihn liest, lässt sich auf eine wortgewalt­ige wie fantasiere­iche Zeitreise ein. Alles in allem ist das ganz sicher keine leichte Kost, aber allemal ein sprachlich­es wie gedanklich­es Abenteuer.

Zaimoglus Luther sieht sich nach der Reichsacht und der unfreiwill­igen Verschlepp­ung „gescholten und versteckt, ins Rattennest gestoßen“. Behütet – und beobachtet – wird er vom Landsknech­t Burkhard. „Mir bleibt nur, mich zu gürten und dem Mönch den Überwurf umzutun, dass er nicht friert in den Nächten, da die Toten zu ihm sprechen“, sagt er einmal. Burghard ist eigentlich Römling, ein katholisch­er Kaisertreu­er – den der Anvertraut­e so ein ums andere Mal in Gewissensk­onflikte stürzt.

Auch Luther selbst kommt in zahlreiche­n Briefe an Freunde und Weggefährt­en zu Wort. Solche Briefe gab es auch im realen Lutherlebe­n. Zaimoglu schreibt sie neu, ganz so, als wolle er einmal mehr beweisen, wie erfolgreic­h er seinem Protagonis­ten aufs Maul und ins Herz schaut.

Es ist diese Sprache, die das Buch immer wieder zum Lesevergnü­gen macht. Sätze wie „Ich werd der Hur noch oft das Wieslein wässern“oder „Eher verrecken wir, als dass er aufsteckt“kann man sich nicht entziehen. Wie muss es erst sein, wenn sie laut gelesen werden. Zu erleben ist das am Montag bei einer Lesung mit dem Autor im Erfurter Haus Dacheröden (Beginn 20 Uhr, Karten an der Abendkasse).

Feridun Zaimoglu: Evangelio. Ein Luther-roman. Kiepenheue­r & Witsch,  Seiten,  Euro

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