Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Gericht lehnt Befangenheitsanträge ab
Der Angeklagte Wohlleben sorgt für eine erneute Unterbrechung der Hauptverhandlung
München.
Der NSU-Prozess dreht sich wieder einmal im Kreis. Drei Wochen hatte die Hauptverhandlung wegen mehrerer Befangenheitsanträge gegen einzelne Richter zwangspausiert, nur um gestern erneut unterbrochen zu werden.
Die Verteidigung von Ralf Wohlleben kündigte einen weiteren Befangenheitsantrag im Namen ihres Mandanten an. Er werde sich, hieß es, gegen jene Richter richten, die zuvor die insgesamt sechs Befangenheitsanträge ablehnt hatten, die von Wohlleben und der Hauptangeklagten Beate Zschäpe gestellt worden waren.
Das heißt, stammen sie wirklich von Zschäpe? Sie hatte dem Gericht mitgeteilt, dass ein Teil der Anträge durch ihre ursprünglichen Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ohne ihre Zustimmung gestellt wurden. Dem wiederum widersprachen die drei und stellten einen Antrag auf Entlassung aus dem Verfahren.
Der 6. Senat des Oberlandesgerichts München dürfte dieses offenkundig symbolische Ersuchen ebenso abschlägig beschei- den wie den Befangenheitsantrag, der für heute erwartet wird. Das kostet Zeit – was aus Sicht mancher Nebenklagevertreter das Ziel von Wohlleben ist. Der Opferanwalt Yavuz Narin stellte gestern die These auf, dass der Angeklagte versuche, die Beweisaufnahme bis zum 4. Juni zu strecken. Denn dann, sagte er der Thüringer Allgemeinen, würden die Vorstrafen Wohlle- bens aus dem Bundeszentralregister gelöscht – und dürften so zum Beispiel bei Strafzumessung nicht mehr beachtet werden.
Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders bezeichnete die Aussage Narins auf Nachfrage als „fantasievoll“, aber substanzlos. Klar scheint dennoch: Der Senat unter dem Vorsitz von Manfred Götzl will zum Ende kommen – und zumindest ein Teil der Angeklagten eher nicht. Die jüngsten Manöver der Verteidiger hatten am 9. März begonnen, als Götzl das Ende der Beweisaufnahme ankündigte und somit den Weg für die Plädoyers und ein baldiges Urteil bereiten wollte.
Bevor gestern die Verhandlung unterbrochen wurde, um Wohllebens Verteidigung die gewünschte Zeit zur Vorbereitung des Befangenheitsantrages zu geben, stellte sich die Bundesanwaltschaft hinter das Gericht. Staatsanwältin Anette Greger sagte, es sei nach annähernd vier Jahren Prozessdauer nachvollziehbar, wenn der Richter eine kurze Frist für letzte Beweisanträge verkünde.
Die Verhandlung wird heute fortgesetzt.
Nebenkläger vermuten Spiel auf Zeit