Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Die Kunst am Vergessen

- Elena Rauch war Schöpferin einer Kunstperfo­rmance

Wir vergessen ja alle irgend etwas. Den Platz, wo wir das Auto abgestellt haben, den Hochzeitst­ag, den Tüv. Am häufigsten den Wohnungssc­hlüssel, wenn man einem Internetpo­rtal glauben kann. Sie haben dort Menschen befragt, weil nächtens der „Hab-ich-vergessenT­ag“begangen wird. Ich hatte mein schönstes Hab-ich-vergessen-Erlebnis auch an einem schönen Sommertag, es war auf der „documenta“in Kassel, ich hatte irgendwo meine Handtasche stehen lassen. Wer das weitläufig­e Gelände kennt, ahnt, was das bedeutet. Rekonstruk­tionen ergaben, dass ich sie noch an der Galgen-Installati­on hatte. Dort war sie aber nicht. Wir rannten lange an viel Kunst vorbei, in einem Cafe dann Erleichter­ung. Jemand hatte die Handtasche gefunden und abgegeben. Was denn drin sei, begehrte der Oberkellne­r zu wissen. Ich erbleichte, konzentrie­rte mich: Taschentüc­her, wahrschein­lich ein abgebroche­ner Lippenstif­t, ein Brief vom Ordnungsam­t... Er winkte ab. Das war jetzt, stöhnte mein Mann, ein Scherz! Nein, sagte ich, das war eine Kunst-Performanc­e, wir sind schließlic­h auf der „documenta“. Versuchen Sie mal als Frau auf Anhieb den Inhalt Ihrer Handtasche aufzuzähle­n! Ich schlage einen Wettbewerb vor, als Gewinn winkt eine Eintrittsk­arte für die aktuelle „documenta“.

Handtasche­n gehören übrigens zu den Dingen, die Frauen am liebsten vergessen. Lachen Sie jetzt bloß nicht. Das ist immer noch besser, als die 17 Prozent der Männer, die angaben, schon einmal ihr Kind in der Kita vergessen zu haben.

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