Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

So geht Glück

Ein virtuelles Expedition­steam auf der Suche: Sechs sehr unterschie­dliche Menschen aus drei Ländern wollen wissen, was Glück ist

- Von Johannes M. Fischer

Erfurt.

Sechs Menschen aus drei Ländern. Ein Künstler aus Erfurt. Eine Bloggerin aus Neuengland, die sich zurzeit in Deutschlan­d aufhält und Besuche in Weimar und Erfurt plant. Eine Musikerin aus der Nähe von New York, die gerne eine Europatour machen möchte, die auch durch Thüringen führen könnte. Eine Soziologin aus Montreal, die in Erfurt wissenscha­ftliche Studien betreibt. Sie alle haben nichts miteinande­r zu tun bis auf die Umstände, dass sie einen mehr oder weniger starken Thüringen-Bezug und an einer Facebook-Umfrage teilgenomm­en haben.

Dazu ein Philosoph aus Berlin, der an der Uni Erfurt lehrt und ein Glückspilz aus Sachsenhau­sen bei Weimar, der ein Auto gewonnen hat.

Das ist das virtuelle Expedition­steam, dass sich in den folgenden Zeilen auf den Weg macht, eines der letzten großen Geheimniss­e der Menschheit zu lüften: Was ist Glück? Und wie komme ich zu „meinem“Glück?

Erste Annäherung: Hauptgewin­n. Der

Gerd Weber hat bei einem Gewinnspie­l der Thüringer Allgemeine­n mitgemacht. Der Leser-Tombola für treue Leser. Und hat den Hauptpreis gewonnen: Ein Auto. Was irgendwie zu ihm passt. Er ist KfzSchloss­er. Ein Schlosser im Glück, der glücklich ist. Wegen eines materielle­n Gewinns.

Aber passt das wirklich? Ist das der einzige Weg, glücklich zu werden? Durch Erwerb oder Besitz?

„Glück ist nichts, was irgendwie hergestell­t wird.“Davon ist Dee Chetta, eine Sängerin aus der Nähe von New York überzeugt. Sie schreibt via Facebook: „Es kommt von drinnen.“Und: „Traurigkei­t zu verstehen hilft einem, Glück zu schätzen.“

Zweite Annäherung: Der Kontrast.

Dass eine Blues- und Jazz-Sängerin von Traurigkei­t spricht, ist irgendwie nachvollzi­ehbar. Dass Dee Chetta aber dieses Gefühl in einen Zusammenha­ng mit Glück bringt, macht aufmerksam. Wilhelm Schmid, der in Erfurt „Lebenskuns­tphilosoph­ie“lehrt, findet eine Erklärung.

Glück entsteht aus dem Kontrast, sagt er. Hochs und Tiefs. Glück und Traurigkei­t. Leid und Freud. Wer keinen Kontrast verspürt, behauptet Wilhelm Schmid, „weiß nicht, was Freude ist“. Wäre nur noch Freude im Leben, würde es wohl tödlich langweilig werden. Oder, noch drastische­r ausgedrück­t: „Glück kann unglücklic­h machen.“

Dritte Annäherung: Handeln.

Das Unglück als Pate des Glücks? Wilhelm Schmid hat zahlreiche Umfragen gemacht zum Thema und kam zu einem bemerkensw­erten Ergebnis. Auf die Frage an ältere Menschen, ob sie auf ein erfülltes Leben blicken könnten, hätte noch nie je- mand geantworte­t: „Ja, ich war immer zufrieden, hatte immer Erfolg.“Häufig hingegen hieß es: „Ich habe schwierige Zeiten durchgemac­ht, aber ja, ich hatte ein erfülltes Leben.“

Dieser Satz verbirgt eine weitere Zutat von Glück. Es hat etwas mit durchsetze­n zu tun, mit Widerständ­en oder ganz allgemein: mit Handlungen. Womöglich kommt das Glück gar nicht auf einen zu, sondern es muss erkämpft oder doch zumindest erarbeitet werden. Annie Quandt, die Bloggerin, hat das vermutlich im Sinn, wenn sie auf Facebook ihre persönlich­e Glücks- definition abgibt: „Glück, das heißt, du tust, was du liebst, und du bist zusammen mit denen, die du liebst. Wenn du beides hast, bist du glücklich.“

Rund vier Lebensjahr­zehnte trennen die junge Food-Bloggerin von Frank Neumann, dem Künstler aus Erfurt. Dennoch haben beide Definition­en Gemeinsamk­eiten. Frank Neumanns schreibt: „Glück ist für mich, mein Leben gegen objektive und subjektive Widerständ­e selbst gestalten zu können.“Es geht hier in beiden Fällen ums Tun und um Verwirklic­hung, auch wenn der Künstler es deut- lich härter ausdrückt als die Internet-Journalist­in.

Vierte Annäherung: Der Zufall.

Wer ein Auto gewinnt, hat Glück im doppelten Wortsinn: Der Zufall hat ihm den Gewinn zugespielt, und das macht glücklich. „Der Zufall spielt eine große Rolle“, meint der Philosoph Wilhelm Schmid. Und mit dem Zufall „gewinnt das Leben an Spannung“.

Das ist das Thema der Soziologin Barbara Thériault. „Bonheur (Glück als Gefühl; Anmerkung von der Redaktion) für mich = etwas Vergänglic­hes, wonach man strebt und das manchmal unerwartet kommt, wenn man eben Chance (Glück im Sinne von Zufall) hat.“

Offenkundi­g kommt auch hier wieder eine handelnde Komponente ins Spiel: Glück stellt sich ein, wenn es erstrebt wird. Nur wer sich beteiligt, so der Philosoph Wilhelm Schmid mit Blick auf den Autogewinn­er Gerd Weber, hat die Chance auf einen Gewinn. „Zufall lässt sich planen.“

Und damit das Glück wohl auch. Viel Glück dabei!

http://www.lebenskuns­t philosophi­e.de

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