Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
So geht Glück
Ein virtuelles Expeditionsteam auf der Suche: Sechs sehr unterschiedliche Menschen aus drei Ländern wollen wissen, was Glück ist
Erfurt.
Sechs Menschen aus drei Ländern. Ein Künstler aus Erfurt. Eine Bloggerin aus Neuengland, die sich zurzeit in Deutschland aufhält und Besuche in Weimar und Erfurt plant. Eine Musikerin aus der Nähe von New York, die gerne eine Europatour machen möchte, die auch durch Thüringen führen könnte. Eine Soziologin aus Montreal, die in Erfurt wissenschaftliche Studien betreibt. Sie alle haben nichts miteinander zu tun bis auf die Umstände, dass sie einen mehr oder weniger starken Thüringen-Bezug und an einer Facebook-Umfrage teilgenommen haben.
Dazu ein Philosoph aus Berlin, der an der Uni Erfurt lehrt und ein Glückspilz aus Sachsenhausen bei Weimar, der ein Auto gewonnen hat.
Das ist das virtuelle Expeditionsteam, dass sich in den folgenden Zeilen auf den Weg macht, eines der letzten großen Geheimnisse der Menschheit zu lüften: Was ist Glück? Und wie komme ich zu „meinem“Glück?
Erste Annäherung: Hauptgewinn. Der
Gerd Weber hat bei einem Gewinnspiel der Thüringer Allgemeinen mitgemacht. Der Leser-Tombola für treue Leser. Und hat den Hauptpreis gewonnen: Ein Auto. Was irgendwie zu ihm passt. Er ist KfzSchlosser. Ein Schlosser im Glück, der glücklich ist. Wegen eines materiellen Gewinns.
Aber passt das wirklich? Ist das der einzige Weg, glücklich zu werden? Durch Erwerb oder Besitz?
„Glück ist nichts, was irgendwie hergestellt wird.“Davon ist Dee Chetta, eine Sängerin aus der Nähe von New York überzeugt. Sie schreibt via Facebook: „Es kommt von drinnen.“Und: „Traurigkeit zu verstehen hilft einem, Glück zu schätzen.“
Zweite Annäherung: Der Kontrast.
Dass eine Blues- und Jazz-Sängerin von Traurigkeit spricht, ist irgendwie nachvollziehbar. Dass Dee Chetta aber dieses Gefühl in einen Zusammenhang mit Glück bringt, macht aufmerksam. Wilhelm Schmid, der in Erfurt „Lebenskunstphilosophie“lehrt, findet eine Erklärung.
Glück entsteht aus dem Kontrast, sagt er. Hochs und Tiefs. Glück und Traurigkeit. Leid und Freud. Wer keinen Kontrast verspürt, behauptet Wilhelm Schmid, „weiß nicht, was Freude ist“. Wäre nur noch Freude im Leben, würde es wohl tödlich langweilig werden. Oder, noch drastischer ausgedrückt: „Glück kann unglücklich machen.“
Dritte Annäherung: Handeln.
Das Unglück als Pate des Glücks? Wilhelm Schmid hat zahlreiche Umfragen gemacht zum Thema und kam zu einem bemerkenswerten Ergebnis. Auf die Frage an ältere Menschen, ob sie auf ein erfülltes Leben blicken könnten, hätte noch nie je- mand geantwortet: „Ja, ich war immer zufrieden, hatte immer Erfolg.“Häufig hingegen hieß es: „Ich habe schwierige Zeiten durchgemacht, aber ja, ich hatte ein erfülltes Leben.“
Dieser Satz verbirgt eine weitere Zutat von Glück. Es hat etwas mit durchsetzen zu tun, mit Widerständen oder ganz allgemein: mit Handlungen. Womöglich kommt das Glück gar nicht auf einen zu, sondern es muss erkämpft oder doch zumindest erarbeitet werden. Annie Quandt, die Bloggerin, hat das vermutlich im Sinn, wenn sie auf Facebook ihre persönliche Glücks- definition abgibt: „Glück, das heißt, du tust, was du liebst, und du bist zusammen mit denen, die du liebst. Wenn du beides hast, bist du glücklich.“
Rund vier Lebensjahrzehnte trennen die junge Food-Bloggerin von Frank Neumann, dem Künstler aus Erfurt. Dennoch haben beide Definitionen Gemeinsamkeiten. Frank Neumanns schreibt: „Glück ist für mich, mein Leben gegen objektive und subjektive Widerstände selbst gestalten zu können.“Es geht hier in beiden Fällen ums Tun und um Verwirklichung, auch wenn der Künstler es deut- lich härter ausdrückt als die Internet-Journalistin.
Vierte Annäherung: Der Zufall.
Wer ein Auto gewinnt, hat Glück im doppelten Wortsinn: Der Zufall hat ihm den Gewinn zugespielt, und das macht glücklich. „Der Zufall spielt eine große Rolle“, meint der Philosoph Wilhelm Schmid. Und mit dem Zufall „gewinnt das Leben an Spannung“.
Das ist das Thema der Soziologin Barbara Thériault. „Bonheur (Glück als Gefühl; Anmerkung von der Redaktion) für mich = etwas Vergängliches, wonach man strebt und das manchmal unerwartet kommt, wenn man eben Chance (Glück im Sinne von Zufall) hat.“
Offenkundig kommt auch hier wieder eine handelnde Komponente ins Spiel: Glück stellt sich ein, wenn es erstrebt wird. Nur wer sich beteiligt, so der Philosoph Wilhelm Schmid mit Blick auf den Autogewinner Gerd Weber, hat die Chance auf einen Gewinn. „Zufall lässt sich planen.“
Und damit das Glück wohl auch. Viel Glück dabei!
http://www.lebenskunst philosophie.de