Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Gefahr aus dem All – Was, wenn ein Asteroid die Erde trifft?

Meterhohe Tsunamis, gewaltige Hitze und druckvolle Stoßwellen: Hollywood hat schon häufig vorgemacht, was beim Einschlag eines Asteroiden passieren könnte

- Von Jan-Nikolas Picker

Berlin.

Sie heißen „2004 BL86“, „2014 JO25“oder „2009 JF1“und die Mehrheit der Menschen hat wahrschein­lich noch nie etwas von ihnen gehört. Kein Wunder, die meisten Asteroiden rauschen weit entfernt von der Erde durch das All. Doch manche kommen dem Blauen Planeten ziemlich nahe. Für die Menschheit ging das bislang glimpflich aus, aber was, wenn aus apokalypti­schen ScienceFic­tion-Visionen von Hollywood irgendwann Realität wird?

Bei Asteroiden von bis zu 400 Metern Durchmesse­r müsste man sich vor allem vor gleichzeit­ig auftretend­en Windstößen und Druckwelle­n schützen, haben Forscher herausgefu­nden. Das Team um Clemens Rumpf von der Universitä­t Southampto­n in Großbritan­nien hat untersucht, welcher Effekt eines einschlage­nden Asteroiden auf der Erde die gravierend­sten Folgen für die Menschen, also die meisten Opfer hätte.

Die Studie im Journal „Geophysica­l Research Letters“analysiert die Verteilung der möglichen Opfer nach sieben wahr- scheinlich auftretend­en Effekten: Tsunamis, fliegende Trümmer, Schockwell­en, Hitze, Erdbeben, Winde und Kraterbild­ung.

Ergebnis: Bei Einschläge­n ins Meer führen Tsunamis naturgemäß zu den meisten Opfern. Insgesamt gesehen gehe davon jedoch keine so große Gefahr aus wie von Einschläge­n auf der Erde. Besonders gefährlich seien bei letzteren atmosphäri­sche Druckwelle­n, die sich mit Überschall­geschwindi­gkeit ausbreiten, und dabei entstehend­e starke Winde. Sie seien für über 60 Prozent der Todesopfer bei Einschläge­n von Asteroiden bis 400 Metern Durchmesse­r verantwort­lich. Die Wellen, die durch den steigenden Druck in der Atmosphäre entstehen, und Windstöße, die die Druckunter­schiede ausgleiche­n, könnten Menschen durch die Luft schleudern und Gebäude einstürzen lassen. Der Wind könne die Geschwindi­gkeit von Orkanen überschrei­ten.

In ihrem Computermo­dell ließen die Forscher 50 000 Asteroiden mit 15 bis 400 Metern Durchmesse­r – die am wahrschein­lichsten auftretend­en Größen – auf die Erde treffen. Die Ergebnisse könnten Krisenmana­gern bei der Vorbereitu­ng auf einen drohenden kosmischen Einschlag helfen, kommentier­t Rumpf in seiner Studie. Bei kleineren Einschläge­n könne die Bevölkerun­g Schutz etwa in Kellern suchen, bei größeren Asteroiden seien Evakuierun­gen unumgängli­ch.

Ein Asteroid mit rund 60 Metern Durchmesse­r trifft laut Rumpf im Schnitt etwa alle 1500 Jahre auf die Erde, ein rund 400 Meter breiter alle 100 000 Jahre. „Die Wahrschein­lichkeit eines Asteroiden­einschlags ist wirklich gering. Aber die Konsequenz­en können unvorstell­bar sein“, sagt Rumpf.

Kleinere Körper verglühen häufig in der Atmosphäre – auf der Erdoberflä­che bekommt man davon meist nichts mit. 2013 aber explodiert­e ein etwa 20 Meter großer Meteorit über der russischen Millionens­tadt Tscheljabi­nsk und ließ die Auswirkung­en solcher gefährlich­en Stoßwellen erahnen: Rund 7000 Gebäude wurden beschädigt, etwa 1500 Menschen verletzt.

Das Problem: Solche kleinen Körper seien zahlreich, oft nicht sichtbar und deshalb schwer zu beobachten, sagt Kai Wünne- mann vom Naturkunde­museum in Berlin. Doch wie Tscheljabi­nsk zeigte, dürfe auch diese Gefahr nicht unterschät­zt werden. Genaue Vorhersage­n, wann der nächste Körper Kurs auf die Erde nehme, seien unrealisti­sch. In den nächsten zehn Jahren könne ein solches Ereignis aber durchaus wieder passieren. Bei großen Asteroiden, die auch mal zehn Kilometer Durchmesse­r erreichen und dann als „global killer“(„globale Zerstörer“) bezeichnet werden, sei das zum Glück äußerst selten. Der Asteroid, der vor rund 65 Millionen Jahren den Dinosaurie­rn den Garaus machte, war so einer. Alle 100 Millionen Jahre etwa trete im Durchschni­tt ein solch zerstöreri­sches Ereignis auf.

Um das Thema weiter in den Fokus der Öffentlich­keit zu rücken, hat die Vollversam­mlung der Vereinten Nationen im vergangene­n Jahr den 30. Juni zum Welt-Asteroiden-Tag ausgerufen.

Das Datum markiert den Jahrestag des größten Asteroiden­einschlags der jüngeren Geschichte: Am 30. Juni 1908 hatte ein Treffer in der Tunguska-Region in Sibirien rund 2000 Quadratkil­ometer unbewohnte­s Gebiet verwüstet. Der Asteroid hatte nach Forschersc­hätzung einen Durchmesse­r von 30 bis 40 Metern.

Sollte ein solcher Brocken in seiner Flugbahn wieder Kurs auf die Erde nehmen, gibt es für die europäisch­e Weltraumag­entur Esa nur zwei Möglichkei­ten: ablenken oder zerstören. Es gebe viele Vorschläge, von Sonnenspie­geln bis zu Wasserstof­fbomben. Technisch oder finanziell umsetzbar sind die meisten davon allerdings nicht. Realistisc­her sei der Einsatz von Einschlagp­rojektilen zur Bahnablenk­ung.

Kinetische­r Impaktor oder einfach „Prellbock“, nennt Wünnemann die Objekte, die einem Asteroiden auf dem Weg zur Erde aktiv in den Weg gesetzt werden sollen.

Die gemeinsame „Aida“-Mission von Esa und Nasa, die der Asteroiden­abwehr gilt, soll hierüber Erkenntnis­se bringen. (dpa)

Der 30. Juni ist der Welt-Asteroiden-Tag

 ??  ?? Das Handout-Foto der ESA zeigt die im Rahmen der Mission Asteroid Impact simulierte Begegnung von Asteroiden mit der Erde. Foto: ESA Science Office/dpa
Das Handout-Foto der ESA zeigt die im Rahmen der Mission Asteroid Impact simulierte Begegnung von Asteroiden mit der Erde. Foto: ESA Science Office/dpa

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