Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Wichtige Weichenstellung
Die Überlegungen Erfurts, das stadteigene Bahn-Unternehmen zu verkaufen, wecken Skepsis
Seit 105 Jahren besitzt die Stadt Erfurt ein eigenes Eisenbahnunternehmen. Ursprünglich ausschließlich für den Güterverkehr geschaffen, bestand seine Hauptaufgabe in der Bewältigung des Übergabedienstes zwischen der Staatsbahn und den zahlreichen Industriebetrieben.
Im Zuge des ab 1990 durch die ungetreue Breuelsche Treuhand betriebenen industriellen Kahlschlags änderte sich das grundlegend. Mit dem Personenverkehr hat sich das Unternehmen rasch ein neues Geschäftsfeld erschlossen und betreibt mittlerweile ein umfangreiches Streckennetz.
Jährlich fließt ein zwischen 500 000 und 600 000 Euro liegender Betrag in die Erfurter Stadtkasse. Das sind folglich keine einmaligen, sondern regelmäßig wiederkehrende und keineswegs gering zu schätzende Einnahmen. Und dennoch wird im Rathaus ein Verkauf des stadteigenen Unternehmens erwogen, um kurzfristig mehr Geld zu erhalten.
Das wäre aber dann eine einmalige und keine regelmäßig wiederkehrende Einnahme, die zudem nur so lange etwas nützt, wie sie nicht ausgegeben worden ist. Wo danach Geld herkommt, scheint ebenso wenig bedacht zu werden, wie die Frage, was aus der Erfurter Bahn nach einem Verkauf wird. Die Stadt hätte da wohl keinen Einfluss mehr und das kann nicht nur zum Schaden der Beschäftigten, sondern auch zu ihrem eigenen werden.
Hans-Joachim Weise, Ilmenau Eine weitere Zuschrift:
Die Erfurter Bahn war bisher ein Musterbeispiel für eine gelungene Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs und ein Leuchtturm unter den privaten Anbietern, auch zum wirtschaftlichen Nutzen der Stadt Erfurt, ohne deren eigenes aktives Mitwirken. Hinzu kommt, dass die Erfurter Bahn ein Sympathieträger war.
Einer der modernsten Dieseltriebwagen wurde zum „Botschafter Thüringens“getauft. Er sorgte nicht nur in allen Bundesländern für Aufsehen, sondern auch im benachbarten Ausland. Absoluter Höhepunkt war eine touristisch orientierte, dreitägige Werbeveranstaltung im Züricher Hauptbahnhof.
Mit fünf Dieseltriebwagen startete die Bahn 1998 in den Personennahverkehr. Später kam das Tochterunternehmen Süd-Thüringen-Bahn hinzu und der Bestand erhöhte sich auf über 90 Fahrzeuge. Zu erwähnen ist, dass sich der Beitrag der Stadt Erfurt an der Entwicklung des Unternehmens, nach anfänglicher Skepsis, auf Beifallbekundungen und der Einkassierung der Ausschüttungen beschränkte.
Offensichtlich hat der SPDOberbürgermeister vergessen, dass er nicht nur eine Sache verkauft, sondern auch über das Schicksal der 400 Eisenbahner eine weitreichende Entscheidung trifft. Zynisch ist deshalb die Aussage, der Verkauf würde keinem Erfurter auf die Füße fallen.
Otto Mayer, Eisenach