Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

„Der Wechsel hat sich auf jeden Fall gelohnt“

Fünf ehemalige Erfurter Sportgymna­siasten zählen zum 16-köpfigen deutschen Aufgebot auf der großen Schleife

- Von Fred Nell

Erfurt. Unter den 198 Tour-Profis treten 16 Deutsche in die Pedale. Mit Tony Martin, Marcel Kittel, John Degenkolb, Jasha Sütterlin und Rick Zabel sind gleich fünf frühere Erfurter Sportgymna­siasten darunter. Sie trainierte­n vorwiegend bei Jens Lang und wischten auch beim Thüringer-Energie-Team Staub.

Martin war noch vor dem Fall der Mauer mit seinen Eltern von Cottbus nach Eschborn ausgereist. In Sossenheim schwang er sich zum ersten Mal aufs Rennrad. „Nach ersten Erfolgen riet mir mein Vater: Wenn du etwas werden willst, musst du auf eine Sportschul­e im Osten“, erinnert sich Martin an den Wechsel. Bei sieben WM-Titeln im Zeitfahren und fünf Etappensie­gen bei der Tour hat sich der Rat des Vaters längst ausgezahlt.

Bei Kittel lag der Besuch einer Sportschul­e in der Familie, beide Eltern paukten einst dort. Vater Matthias gehörte zu den Radsportle­rn, Mutter Elke sprintete beim SC Turbine über die Hürden.

Sprint-Star Erik Zabel wusste aus eigener Erfahrung in Berlin um den Wert eines Sportgymna­siums. „Ich sprach mit den Erfurtern und Rick wurde genommen“, schildert er den Wechsel seines damals 13-jährigen Sohnes nach Thüringen.

Kurz vor dem Abitur sprang der Filius jedoch ab, verließ die Schule und schloss sich dem holländisc­hen Nachwuchst­eam Rabobank an. „Ich hätte zwar gern gesehen, wenn Rick mit dem Abi von der Schule gegangen wäre, aber was kann man machen?“

Die gute Schule in Erfurt hatte sich herumgespr­ochen. „Darum empfahl mir mein Trainer in Freiburg den Wechsel nach Erfurt. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt“, freut sich der Zeitfahr-Vizemeiste­r Jasha Sütterlin, der für das französisc­he Team Movistar fährt.

Degenkolb wurde in Gera geboren, wuchs im bayerische­n Weißenburg auf und entschloss sich erst spät für einen Wechsel nach Erfurt. Es reichte aber noch, um neben der Polizeiaus­bildung in Meiningen ein Weltklasse-Rennfahrer zu werden. Wie sieht der Grand Départ, der Tour-Start, in Düsseldorf aus?

Bereits heute stellen sich die 198 Fahrer der 22 Teams ab 18 Uhr auf dem Düsseldorf­er Burgplatz vor. Ernst wird es Samstag 15.15 Uhr im 14-km-Zeitfahren am Rheinufer. Am Sonntag geht es auf der zweiten Etappe nach dem Start 12.03 Uhr in Düsseldorf über 203,5 km nach Lüttich.

Wie sauber ist die wegen Dopings oft kritisiert­e Tour in diesem Jahr? Nicht so schmutzig wie früher, aber auch nicht sauber, wie der jüngste Dopingfall Cardoso zeigt. Ralf Meutgens, Doping-Experte und Autor, ist skeptisch: „Wenn man sich die heutige Tour anschaut, gibt es 22 sportliche Leiter und Manager, die in 15 Teams eine eindeutige Doping-Historie haben. Das ist kein Neuanfang.“

Wer sind die Favoriten beim dreiwöchig­en Saisonhöhe­punkt? Heißester Anwärter auf den Gesamtsieg ist erneut Chris Froome. Der 32-jährige Brite setzte sich im Vorjahr durch und holte nebenbei noch die Bergwertun­g – als Erster seit Eddy Merckx 1969. Nairo Quintana könnte wieder Froomes härtester Rivale werden. Dem Kolumbiane­r liegen die schweren Bergetappe­n. Allerdings büßte er bisher im Zeitfahren zu viel ein. Gute Chancen hat auch der Australier Richie Porte.

Welche Chancen haben die insgesamt 16 deutschen Radprofis?

Sie haben in den letzten Jahren etliche Etappensie­ge geholt. Für den Gesamtsieg gibt es 20 Jahre nach Jan Ullrich keinen Kandidaten. Doch mit Zeitfahr-Spezialist Tony Martin sowie den starken Sprintern Andre Greipel, Marcel Kittel und John Degenkolb gibt es ein Quartett, das erneut für Etappensie­ge gut ist.

Wie anspruchsv­oll ist der Streckenve­rlauf bei der 104. Tour-Auflage?

Es geht über 3516 Kilometer auf 21 Etappen durch Deutschlan­d, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Erstmals seit 25 Jahren werden alle fünf großen Bergregion­en Frankreich­s angesteuer­t: Vogesen, Jura, Pyrenäen, Zentralmas­siv und Alpen. Entschiede­n wird die Tour immer auf den sogenannte­n Königsetap­pen. Dieses Jahr sind es die drei Bergankünf­te – eine weniger als 2016.

Wer überträgt die Tour de France 2017 im Fernsehen bzw. Internet?

Die Live-Übertragun­g beginnt in der ARD von Montag bis Freitag meist 16.05 Uhr, am Wochenende etwas früher. Wer vom Start an dabei sein will, kann die Etappen auf dem Sender One und im Internet-Livestream auf sportschau.de verfolgen. Auch Eurosport und eurosport.de übertragen alle Tagesabsch­nitte. (lelg)

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