Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
EU scheut Verurteilung Putins
Nach dem Wahlsieg weist Russlands Präsident alle Vorwürfe zum Giftanschlag zurück
Brüssel/Moskau. Wladimir Putins Wahlsieg ist noch keine 24 Stunden alt, da geht der britische Außenminister Boris Johnson wieder in die Offensive. Die russischen Dementis zu dem Giftanschlag auf einen früheren Agenten im südenglischen Salisbury seien zunehmend „absurd“, klagt Johnson in Brüssel vor dem Treffen der EU-Außenminister. „Was wir hier sehen, ist die klassische russische Strategie, die Nadel der Wahrheit in einem Heuhaufen von Ablenkungen und Lügen zu verstecken.“Doch könne Moskau niemanden mehr täuschen, warnt Johnson. Dann eilt er in den Sitzungssaal des Ratsgebäudes, um seine Außenministerkollegen über den neuesten Stand der Ermittlungen zu dem Giftanschlag zu unterrichten.
Aber das Ergebnis der Beratungen fällt anders aus als erwartet: Die Außenminister erklären zwar ihre „uneingeschränkte Solidarität“mit Großbritannien, können sich aber nicht auf eine klare Schuldzuweisung an Russland einigen. Vorsichtig erklären sie nur, die EU nehme die Einschätzung Großbritanniens „sehr ernst“, dass höchstwahrscheinlich Russland für den Anschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter verantwortlich sei. Zugleich fordern sie Russland auf, alle Fragen in Zusammenhang mit dem Nervengift umgehend zu beantworten.
Das ist ein deutlich zurückhaltenderer Ton, als ihn Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump am Donnerstag angeschlagen hatten: Sie hatten die britische Einschätzung zu Russlands Verantwortung ausdrücklich geteilt und hinzugefügt, es gebe auch keine andere plausible Erklärung.
Wahlbeobachter weisen auf Verstöße hin
Für Putin ist das plötzliche Zögern der Europäer eine weitere gute Nachricht nach seinem Wahlsieg am Sonntag. Der russische Präsident fühlt sich nach der Wahl in der Auseinandersetzung mit dem Westen gestärkt, das hatte er noch spät am Sonntagabend deutlich gemacht: Der Vorwurf, Russland sei in den Nervengift-Anschlag verwickelt, sei „Unsinn“, sagte Putin. „Russland hat dieses Mittel nicht, wir haben alle unsere chemischen Waffen unter Kontrolle internationaler Beobachter vernichtet.“Der britischen Regierung warf er vor, sie sei an Kooperation nicht interessiert. Gestärkt