Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Merkels schwierige Polen-Reise
Flüchtlingspolitik ist Thema in Warschau
vom besten Wahlergebnis seiner Laufbahn sieht Putin wohl keinerlei Anlass, seinen Kurs zu ändern. Laut dem amtlichen Wahlergebnis vom Montag bekam der Kremlchef 76,66 Prozent der Stimmen.
Allerdings: Nach der Opposition und unabhängigen russischen Wahlbeobachtern, die Tausende Verstöße gegen das Wahlrecht anprangern, kommt am Montag auch Kritik von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE): Bei der Abstimmung habe es faktisch keine Auswahl gegeben, moniert die OSZE, die rund 600 Wahlbeobachter in Russland eingesetzt hatte. Zudem sei kontinuierlich Druck auf kritische Stimmen ausgeübt worden.
Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) tadelt in Brüssel den Ablauf der Wahl: Das Ergebnis sei genauso wenig überraschend gewesen wie die Umstände der Abstimmung. „Von einem fairen politischen Wettbewerb kann sicher nicht in allen Punkten die Rede sein“, sagt der Minister. Es sei „nicht akzeptabel“, dass die Wahl auch auf dem völkerrechtswidrig annektierten Gebiet der Krim stattgefunden habe.
Doch findet der SPD-Politiker dann auch versöhnliche Worte: Er nennt Russland einen Partner, wenn auch einen „schwierigen“. Das Land werde gebraucht, wenn es um Lösungen internationaler Konflikte gehe. „Deshalb wollen wir im Dialog bleiben“, sagt Maas.
Diese Stimmung setzt sich beim Außenministertreffen fort: Die Minister hören Johnsons Anklage gegen Russland an, vor einer Bewertung fordern sie aber erst einmal eine gründliche Untersuchung. Die beginnt die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) auf britischen Wunsch ohnehin.
Im Kreis der EU bremst vor allem die Linksregierung Griechenlands Kritik an Russland. Aber auch aus Ungarn, Tschechien und Österreich kommt die Mahnung, vor einer Bewertung erst eine genaue Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Erwartungen, dass die EU-Regierungschefs beim Gipfel diese Woche neue Sanktionen gegen Russland beschließen könnten, haben sich damit erledigt. Berlin. Deutsch-polnische Spitzentreffen sind längst keine Gipfel der Harmonie mehr. Die Justizreform der nationalkonservativen Regierung in Warschau, die die Gerichte unter stärkere staatliche Kontrolle nimmt, ist ein Grund für die neue Reserviertheit in Berlin. Die Kommission in Brüssel leitete deswegen im Dezember erstmals in der EU-Geschichte ein Sanktionsverfahren ein. Aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Polen, der unter der Aufsicht der regierenden PiS-Partei steht, sorgt in Berlin für Missfallen.
Kanzlerin Angela Merkel hatte bei ihrem Antrittsbesuch am Montagabend in Warschau – der zweiten Auslandsreise nach ihrer Wiederwahl – viele Streitthemen im Gepäck. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki verteidigte die umstrittene Justizreform seiner Regierung, zeigte sich aber optimistisch, dass der Dissens bald ausgeräumt werden könne. Es gebe „Licht am Ende des Tunnels“.
Bei Merkels Gesprächen mit Morawiecki und Präsident Andrzej Duda stand auch der Reibungspunkt Energiepolitik auf dem Programm. Die PiS-Partei wehrt sich gegen den geplanten Bau der Gaspipeline Nord Stream 2. Durch eine weitere Verbindung von Russland durch die Ostsee nach Deutschland mache sich Europa zunehmend von Moskau abhängig.
Polen rügte mehrmals die von Merkel geforderten Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Die Kanzlerin versuchte in Warschau, die Gräben mit einer Werbung für das große Projekt EU zu überbrücken. Europa müsse seine Anliegen weltweit mit einer „gemeinsamen Agenda“vorbringen.