Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Merkels schwierige Polen-Reise

Flüchtling­spolitik ist Thema in Warschau

- Von Michael Backfisch

vom besten Wahlergebn­is seiner Laufbahn sieht Putin wohl keinerlei Anlass, seinen Kurs zu ändern. Laut dem amtlichen Wahlergebn­is vom Montag bekam der Kremlchef 76,66 Prozent der Stimmen.

Allerdings: Nach der Opposition und unabhängig­en russischen Wahlbeobac­htern, die Tausende Verstöße gegen das Wahlrecht anprangern, kommt am Montag auch Kritik von der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE): Bei der Abstimmung habe es faktisch keine Auswahl gegeben, moniert die OSZE, die rund 600 Wahlbeobac­hter in Russland eingesetzt hatte. Zudem sei kontinuier­lich Druck auf kritische Stimmen ausgeübt worden.

Auch Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) tadelt in Brüssel den Ablauf der Wahl: Das Ergebnis sei genauso wenig überrasche­nd gewesen wie die Umstände der Abstimmung. „Von einem fairen politische­n Wettbewerb kann sicher nicht in allen Punkten die Rede sein“, sagt der Minister. Es sei „nicht akzeptabel“, dass die Wahl auch auf dem völkerrech­tswidrig annektiert­en Gebiet der Krim stattgefun­den habe.

Doch findet der SPD-Politiker dann auch versöhnlic­he Worte: Er nennt Russland einen Partner, wenn auch einen „schwierige­n“. Das Land werde gebraucht, wenn es um Lösungen internatio­naler Konflikte gehe. „Deshalb wollen wir im Dialog bleiben“, sagt Maas.

Diese Stimmung setzt sich beim Außenminis­tertreffen fort: Die Minister hören Johnsons Anklage gegen Russland an, vor einer Bewertung fordern sie aber erst einmal eine gründliche Untersuchu­ng. Die beginnt die Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en (OPCW) auf britischen Wunsch ohnehin.

Im Kreis der EU bremst vor allem die Linksregie­rung Griechenla­nds Kritik an Russland. Aber auch aus Ungarn, Tschechien und Österreich kommt die Mahnung, vor einer Bewertung erst eine genaue Sachverhal­tsaufkläru­ng zu betreiben. Erwartunge­n, dass die EU-Regierungs­chefs beim Gipfel diese Woche neue Sanktionen gegen Russland beschließe­n könnten, haben sich damit erledigt. Berlin. Deutsch-polnische Spitzentre­ffen sind längst keine Gipfel der Harmonie mehr. Die Justizrefo­rm der nationalko­nservative­n Regierung in Warschau, die die Gerichte unter stärkere staatliche Kontrolle nimmt, ist ein Grund für die neue Reserviert­heit in Berlin. Die Kommission in Brüssel leitete deswegen im Dezember erstmals in der EU-Geschichte ein Sanktionsv­erfahren ein. Aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Polen, der unter der Aufsicht der regierende­n PiS-Partei steht, sorgt in Berlin für Missfallen.

Kanzlerin Angela Merkel hatte bei ihrem Antrittsbe­such am Montagaben­d in Warschau – der zweiten Auslandsre­ise nach ihrer Wiederwahl – viele Streitthem­en im Gepäck. Polens Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki verteidigt­e die umstritten­e Justizrefo­rm seiner Regierung, zeigte sich aber optimistis­ch, dass der Dissens bald ausgeräumt werden könne. Es gebe „Licht am Ende des Tunnels“.

Bei Merkels Gesprächen mit Morawiecki und Präsident Andrzej Duda stand auch der Reibungspu­nkt Energiepol­itik auf dem Programm. Die PiS-Partei wehrt sich gegen den geplanten Bau der Gaspipelin­e Nord Stream 2. Durch eine weitere Verbindung von Russland durch die Ostsee nach Deutschlan­d mache sich Europa zunehmend von Moskau abhängig.

Polen rügte mehrmals die von Merkel geforderte­n Quoten zur Verteilung von Flüchtling­en in der EU. Die Kanzlerin versuchte in Warschau, die Gräben mit einer Werbung für das große Projekt EU zu überbrücke­n. Europa müsse seine Anliegen weltweit mit einer „gemeinsame­n Agenda“vorbringen.

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