Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Ein fortgesetztes Augenzwinkern
„Alles Lüge!“heißt es im Erfurter Kabarett „Die Arche“. Andreas Pflug und Dominique Wand erspielen sich vor allem Sympathiepunkte
Erfurt. „Kleine Lügen tun nicht weh“, singen sie, „kleine Lügen sind wie Honig im Tee, wie ein Sahnebaiser, und sie machen das Leben leichter . . .“Das stammt von Max Raabe und gibt hier gleich den Grundton vor: Es geht recht entspannt zu, charmant und wird gewiss nicht weh tun.
Weitere Lügenlieder folgen: Rio Reisers „Alles Lüge“oder Roger Ciceros „Internet Single Börse“, in der alle reich und schön sind. Gerhard Schönes Lügenlied („Das glaub ich nicht, das glaub ich nicht“) haben sie umgedichtet, etwa so: „Politiker sind ehrlich, Glyphosat ist ungefährlich.“
Zu dem Lied trägt Andreas Pflug ein lustiges Hütchen, auf dem eine Tischklingel klebt, die Dominique Wand rhythmisch bedient. Es ist der sichtbarste Moment dafür, dass nicht nur andere auf die Mütze bekommen könnten, sondern auch man selbst.
Schließlich, das neue Programm heißt „Alles Lüge!“– das geht uns alle an. Wir lügen zwei bis zweihundert Mal täglich, die Wissenschaft ist sich da nicht ganz einig. Aber dieser Honig im Tee ist durchaus ein Bindemittel für sozialen Zusammenhalt.
Andernfalls würde ein Bundespräsident dem allezeit meckernden Volk in der Fernsehansprache vielleicht zurufen, was er denkt: „Ihr seid das Allerletzte!“So sprach’s Dietmar Wischmeyer als Präsident in der „Heute Show“. Dominique Wand spielt diese Nummer, die bissigste an diesem Abend, mit Steinmeier-Perücke und staatstragendem Ton.
Ohnehin prägt die Zweitverwertung bereits in Umlauf befindlicher Texte stark die Programme im Erfurter Kabarett „Die Arche“. Das macht diese zu bunten Abenden; Harald Richter inszenierte den jüngsten mit Lust und Laune sowie einem Blick fürs spielerische Detail. Das satirische Lügenseminar mit zwei Lügencoaches indes bleibt eine Behauptung zu Beginn, die sich weder dem Inhalt noch der Form nach erfüllt.
Dafür gehen sie mit dem Begriff der Lüge recht frei um, unter den Angela Merkels haltungsfreie Flexibilität (Atomausstieg, Ehe für alle) eigentlich gar nicht fällt. Pflug sagt in einer ziemlich harmlosen Merkel-Parodie ja selbst, sie sei einfach „kompromisslos kompromissbereit“.
Von der Lüge ist’s hier auch nicht weit zum Betrug: In einer ureigenen Nummer Wands erzählt der dem Olaf (Pflug), wie er den Sohn beim „Bescheißen lernen“unterstützt,
Erwartungsgemäß kommen „Fake News“vor, mit dem Hinweis etwa, schon das ganze Christentum basiere darauf: „unbefleckte Empfängnis“.
Nun, dass man getrost nach Hause tragen könne, was man schwarz auf weiß besitzt, legte Goethe ja wohl kaum zufällig dem naiven Schüler im „Faust“in den Mund. Das Gedruckte aber preist der Lügenabend dennoch als heißen Scheiß an, als „analoge Wissens-App to go“namens Buch.
Dieser Abend ist ein fortgesetztes Augenzwinkern, selten eine Stichelei, niemals ein Frontalangriff. Pflug und Wand heben auf eine menschliche Schwäche ab und sammeln Sympathiepunkte. Am besten sind sie hier tatsächlich in den Liedern. Yulia Martynova (Piano) und Burkhard Wieditz (Schlagzeug) begleiten diese wie das ganze Programm munter und pointiert. Sie sind der Honig im Tee.
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Wieder am ., . und . März .