Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Ein fortgesetz­tes Augenzwink­ern

„Alles Lüge!“heißt es im Erfurter Kabarett „Die Arche“. Andreas Pflug und Dominique Wand erspielen sich vor allem Sympathiep­unkte

- Von Michael Helbing

Erfurt. „Kleine Lügen tun nicht weh“, singen sie, „kleine Lügen sind wie Honig im Tee, wie ein Sahnebaise­r, und sie machen das Leben leichter . . .“Das stammt von Max Raabe und gibt hier gleich den Grundton vor: Es geht recht entspannt zu, charmant und wird gewiss nicht weh tun.

Weitere Lügenliede­r folgen: Rio Reisers „Alles Lüge“oder Roger Ciceros „Internet Single Börse“, in der alle reich und schön sind. Gerhard Schönes Lügenlied („Das glaub ich nicht, das glaub ich nicht“) haben sie umgedichte­t, etwa so: „Politiker sind ehrlich, Glyphosat ist ungefährli­ch.“

Zu dem Lied trägt Andreas Pflug ein lustiges Hütchen, auf dem eine Tischkling­el klebt, die Dominique Wand rhythmisch bedient. Es ist der sichtbarst­e Moment dafür, dass nicht nur andere auf die Mütze bekommen könnten, sondern auch man selbst.

Schließlic­h, das neue Programm heißt „Alles Lüge!“– das geht uns alle an. Wir lügen zwei bis zweihunder­t Mal täglich, die Wissenscha­ft ist sich da nicht ganz einig. Aber dieser Honig im Tee ist durchaus ein Bindemitte­l für sozialen Zusammenha­lt.

Andernfall­s würde ein Bundespräs­ident dem allezeit meckernden Volk in der Fernsehans­prache vielleicht zurufen, was er denkt: „Ihr seid das Allerletzt­e!“So sprach’s Dietmar Wischmeyer als Präsident in der „Heute Show“. Dominique Wand spielt diese Nummer, die bissigste an diesem Abend, mit Steinmeier-Perücke und staatstrag­endem Ton.

Ohnehin prägt die Zweitverwe­rtung bereits in Umlauf befindlich­er Texte stark die Programme im Erfurter Kabarett „Die Arche“. Das macht diese zu bunten Abenden; Harald Richter inszeniert­e den jüngsten mit Lust und Laune sowie einem Blick fürs spielerisc­he Detail. Das satirische Lügensemin­ar mit zwei Lügencoach­es indes bleibt eine Behauptung zu Beginn, die sich weder dem Inhalt noch der Form nach erfüllt.

Dafür gehen sie mit dem Begriff der Lüge recht frei um, unter den Angela Merkels haltungsfr­eie Flexibilit­ät (Atomaussti­eg, Ehe für alle) eigentlich gar nicht fällt. Pflug sagt in einer ziemlich harmlosen Merkel-Parodie ja selbst, sie sei einfach „kompromiss­los kompromiss­bereit“.

Von der Lüge ist’s hier auch nicht weit zum Betrug: In einer ureigenen Nummer Wands erzählt der dem Olaf (Pflug), wie er den Sohn beim „Bescheißen lernen“unterstütz­t,

Erwartungs­gemäß kommen „Fake News“vor, mit dem Hinweis etwa, schon das ganze Christentu­m basiere darauf: „unbefleckt­e Empfängnis“.

Nun, dass man getrost nach Hause tragen könne, was man schwarz auf weiß besitzt, legte Goethe ja wohl kaum zufällig dem naiven Schüler im „Faust“in den Mund. Das Gedruckte aber preist der Lügenabend dennoch als heißen Scheiß an, als „analoge Wissens-App to go“namens Buch.

Dieser Abend ist ein fortgesetz­tes Augenzwink­ern, selten eine Stichelei, niemals ein Frontalang­riff. Pflug und Wand heben auf eine menschlich­e Schwäche ab und sammeln Sympathiep­unkte. Am besten sind sie hier tatsächlic­h in den Liedern. Yulia Martynova (Piano) und Burkhard Wieditz (Schlagzeug) begleiten diese wie das ganze Programm munter und pointiert. Sie sind der Honig im Tee.

Wieder am ., . und . März .

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Dominique Wand (links) und Andreas Pflug diskutiere­n als Väter über die frühzeitig­e Erziehung der Kinder zum Betrug. Foto: Lutz Edelhoff

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