Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Wein, Weib und Gesang
Im 19. Jahrhundert etabliert sich der Hanstein als bevorzugtes Ausflugsziel Göttinger Studenten zu Himmelfahrt
Bornhagen.
Trutzig erhebt sie sich über das Werratal und liegt doch im Eichsfeld. Die Burgruine Hanstein ist nicht erst seit dem Mauerfall ein Besuchermagnet. Schon zu Beginn des
19. Jahrhunderts zogen die romantischen Ruinen die Göttinger Studenten magisch an. Vor allem zu Himmelfahrt.
Mit diesem Umstand und mit den Hansteiner Gästebüchern hat sich ausgiebig Martin Röhrig beschäftigt. „Gleichwohl die Ruinen ganzjährig besichtigt wurden, ergoss sich an den Himmelfahrtsund Pfingstfesttagen ein wahrer Besucherstrom über sie“, hat er nach eingehendem Studium der historischen Dokumente herausgefunden. Die Gästebücher gingen Ende des
19. Jahrhunderts in Privatbesitz über, galten zeitweise sogar als verschollen.“Heute schlummern sie im Archiv des Eichsfelder Heimatmuseums.
Fünf Fußstunden, so die damalige Entfernungsangabe, ist der Hanstein von Göttingen entfernt.
Die Mehrzahl der Besucher, hat Röhrig analysiert, entstammte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem akademischen Umfeld. „Eine klare studentische Dominanz ist zu erkennen. Nur in seltenen Fällen präsentiert sich eine Gästebuchseite ohne den Namen eines Studiosus“, lächelt Röhrig.
Ihren eindeutigen Höhepunkt aber erreichten die Gästezahlen an Himmelfahrt und Pfingsten – dann zog es Besucher zu Tausenden aus den umliegenden Ortschaften und Göttingen auf den Hanstein. „Während der Himmelfahrtsausflüge wurde gegessen, getrunken, getanzt und gefeiert, wobei sich die Burg und das Dorf Bornhagen als Austragungsorte nicht nur abwechselten, sondern auch ergänzten“, weiß Röhrig. Die Göttinger Studenten zogen vereinzelt, in kleineren oder größeren Gruppen auf die Burgruine.
Dabei aber findet sich in der Literatur ein guter Ratschlag an die Studenten auf dem Hanstein: „Am weisesten handelt man, wenn man unter seinen Freunden sitzen bleibt, sich da vergnügt, ohne die anderen in ihren Vergnügungen zu stören.“Dieser Rat zielte einerseits auf die Vermeidung von Konflikten ab und appellierte andererseits direkt an die Sittsamkeit der Studenten. Denn der Hanstein diente nicht nur als Kulisse für ein ausgiebiges Trinkgelage, sondern Mann und Frau nutzten diesen romantischen Ort, um einander näher zu kommen, wie Röhrig weiß. Auch darüber gibt es in den Gästebüchern den einen oder anderen verräterischen Eintrag. „Sogar die Eignung der Ruine als Ort der Verführung wird hervorgehoben“, sagt Martin Röhrig mit einem Augenzwinkern.
Röhrig, der sich im Rahmen seines Geschichtsstudiums an der Göttinger Uni ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt hat, verschweigt auch nicht, dass es zu verstärktem Alkoholkonsum kam. Hier nahmen die Studenten kein Blatt vor den Mund. Röhrig zeigt auf einen Eintrag einer Gruppe von acht Jura- und Medizinstudenten: „Alle hier in der Klammer stehende, fidele Brüder waren am Himmelfahrtstage hier versammelt und besoffen sich“, heißt es gänzlich unverblümt unter den Himmelfahrtsvermerken des Jahres 1826. Ehrlich war auch der Hallenser Student H. Frey, der sich bereits am Vortag des Himmelfahrtstages 1831 auf dem Hanstein einfand und schrieb: „Ich lag im Schloss und war besoffen!“Natürlich könne man diese Verhaltensweise nicht auf die studentische Gesamtheit projizieren, sagt Röhrig, es sei aber schon charakteristisch, wie offen in den Gästebüchern der Trunkenheitszustand kommuniziert wurde. Augenfällig aber, so sagt der geschichtsbewanderte Eichsfelder, sei die Verbindung von akademischer Jugendzeit und dem prägenden Himmelfahrtserlebnis auf Burg Hanstein. Denn auch viele Jahre später kehrten viele der früheren Studenten, oft als gestandene Mannsbilder, zurück und suchten in den Büchern ihre alten Einträge oder die der damaligen Kommilitonen und Saufkumpane oder sogar Vorfahren.
Wann genau die Hansteiner Himmelfahrts- und auch Pfingstausflüge tatsächlich studentische Tradition wurden, beziehungsweise als solche wahrgenommen wurden, das hat auch Röhrig noch nicht enträtselt.