Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Wenn Kinder plötzlich schwierige Fragen stellen
Kurse der Uni Jena sensibilisieren Kita-mitarbeiter für den Umgang mit anderen Kulturen und Religionen
Jena.
Auf den Tischen liegen an diesem Kursnachmittag Kinderund Jugendbücher. Darunter sind Geschichten zu Judentum, Islam oder Christentum. Andere behandeln das Thema Flucht oder erzählen von Kindern, die anders sind, manche auch traumatisiert von schrecklichen Erlebnissen. Etwa 20 pädagogische Fachkräfte aus Kitas und Schulen sitzen im Tagungsraum der Jenaer Stadtverwaltung im Karree. Die meisten kommen direkt von der Arbeit, um eineinhalb Stunden lang Fragen der Integration zu diskutieren.
„Unterschiede wagen – Gemeinsamkeiten profilieren“lautet das Motto der Kurse, in denen „Beraterinnen für kulturund religionssensible Bildung“geschult werden. Organisator ist seit 2016 das Zentrum für Religionspädagogische Bildungsforschung der Uni Jena. „Mit der Flüchtlingswelle von 2015 kamen viele Familien zu uns, deren Kinder ein Recht auf Kita oder Schule haben. Als Religionspädagogen können wir keine Deutschkurse anbieten, aber Kompetenzen im Umgang mit Kulturen und Religionen vermitteln“, sagt Lehrstuhlinhaber Michael Wermke, der das Projekt mit entwickelte. Im Sinne der Mitbestimmung sollen auch die Eltern einbezogen werden.
Von Oktober bis Juli dauert der Kurs, der Theorieteil liegt hinter den Teilnehmern. Mehrere Wochen lang haben sie sich mit einzelnen Weltreligionen, aber auch mit Extremismen verschiedener Prägung auseinandergesetzt. Was tun, wenn etwa Eltern im Kindergarten Stress machen, weil ihr Kind mit einem muslimischen Kind spielt? „Dann sollte man dem Paroli bieten können und dafür auch Argumente haben“, sagt Wermke. Immer wieder holen sich der Professor und seine Mitstreiter dafür fachliche Expertise, so etwa vom Kompetenzzentrum Rechtsextremismus der Uni. Inzwischen ist der Kurs in der Praxisphase angekommen. Wie immer zu Beginn der Treffen schildert eine der Teilnehmerinnen ein Beispiel aus ihrem Alltag. Diesmal geht es um Schwierigkeiten mit einem Vater. Sinn und Zweck dieser Praxisbeispiele sei es, dass die Teilnehmer miteinander ins Gespräch kommen und konkrete Beratungsbedarfe in den Einrichtungen aufgreifen.
Um das Zertifikat zu bekommen, erarbeiten die Teilnehmer eigene Projekte, die sie am Ende präsentieren. Das können interkulturelle Lese-ecken in ihren Einrichtungen sein, aber auch spezielle Elternabende oder -cafés, in denen sich Eltern ihre verschiedenen Kulturen gegenseitig vorstellen. Einige Kursteilnehmer planen Treffen mit ihrem Kita- oder Schulteam, um das Gelernte weiterzugeben.
Bücher, Hörspiele und Filme können dabei helfen, sagt Projektkoordinatorin Ulrike Grundnig, die das Seminar an diesem Nachmittag leitet. Die Auswahl guter Beispiele sei groß. Die ausgelegten Bücher bieten eine kleine Auswahl, die sich die Kursteilnehmer gegenseitig vorstellen. Vier Kurse sind es inzwischen, zwei in Jena, zwei in Gera, weitere sollen in ganz Thüringen folgen. Die Nachfrage sei da. Um die Kurse auf die Erwartungen vor Ort zuzuschneiden, würden sie wissenschaftlich begleitet.
„Kinder stellen schwierige Fragen, nach Gott, dem Terror oder warum einer stirbt, auf die Erwachsene nicht immer Antworten haben“, sagt Michael Wermke. Aufgabe von Erziehern sei es nicht, Fragen als unbeantwortbar zurückzuweisen, sondern das Kind in seiner Fragehaltung weiter zu fördern. Pädagogen könnten permanent in Erklärungsnöte geraten. Wenn die Kurse das Rüstzeug vermittelten, um nicht argumentationslos zu sein, erfüllten sie ihre Aufgabe, so der Wissenschaftler.
Für die Teilnehmer kommt wohl noch etwas anderes hinzu. Vor allem die Gespräche mit den Kollegen möchte sie nicht mehr missen, schwärmt eine Erzieherin beim Abschied.
Kursteilnehmer stellen eigene Projekte vor
Eckhart Beleites, Rainer Bonin und Hagen Ludwig
vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer unter der Nummer