Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
So viele Flüchtlinge wie noch nie seit 1945
Weltweit sind laut UNHCR 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. In Deutschland kommen deutlich weniger an als in den Vorjahren
Berlin.
Wer verstehen will, wie kompliziert die Ursachen für Flucht sein können, muss an den Tschadsee blicken. Dort, im Ländereck zwischen Nigeria, Niger, Tschad und Kamerun, lebten viele Jahrhunderte Viehhirten und Bauern an dem großen See. Doch der Wasserstand ist seit den 1960er-jahren um etwa drei Viertel geschrumpft. Die Hirten haben kein Wasser mehr für ihr Vieh, sie ziehen gen Süden, ins Landesinnere von Nigeria, zum Beispiel. Dort stoßen die Hirten auf Ackerbauern – und kämpfen gegen sie um das Land. Manche müssen fliehen. Die Tschadregion verarmt, radikale Islamisten breiten sich aus, bieten kriminelle Machenschaften als Arbeit an. Mehr Menschen fliehen, jetzt vor der Ausbreitung des Terrorismus. Zuletzt kamen viele, die über das Mittelmeer flohen, aus Nigeria.
Es ist ein Beispiel dafür, warum die Zahl der Flüchtlinge weltweit so hoch ist – und weiter steigt. Rund 68,5 Millionen Geflohene suchten Ende 2017 Schutz, teilte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Dienstag in Genf mit. Das seien 2,9 Millionen Menschen mehr gewesen als Ende 2016 – ein Höchststand seit Ende des Zweiten Weltkriegs. In Deutschland kamen 2017 hingegen deutlich weniger Schutzsuchende an als in den Jahren davor. Vergangenes Jahr wurden hier 186 644 Asylsuchende erfasst. Im Vergleich zur Zeit vor Beginn des Syrienkrieges ist die Zahl hoch. Doch auch 2018 sinkt die Zahl derer, die nach Deutschland fliehen, weiter: Bis Mitte Juni registrierten die Behörden 67 782 Asylsuchende. Nicht alle erhalten Schutz: Bei gut 600 000 Asylentscheidungen 2017 vergab das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in gut 220 000 Fällen einen positiven Bescheid.
Deutschland belegt im Verhältnis zur Bevölkerung den weltweit 17. Platz bei der Aufnahme von Schutzsuchenden – noch hinter Schweden und Österreich. Bezieht man die Wirtschaftskraft mit ein, dann rutscht Deutschland auf Platz 59 von den fast 200 vom Unflüchtlingshilfswerk UNHCR betrachteten Staaten. (cu)