Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Einer für alle

Wim Wenders feiert in seiner Dokumentat­ion „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ein filmisches Hochamt

- Von Henryk Goldberg

Erfurt.

Der Pontifex liest seiner Kirche und seinen Brüdern die Leviten. Rivalitäte­n, Eitelkeite­n. Dazu fährt die Kamera über die unbewegten Gesichter der Würdenträg­er. Und es sieht aus wie eine Anklage. Einer gegen alle – in der Kirche. Und einer für alle – in der Welt außerhalb der Kirche.

Wim Wenders wurde vom Vatikan eingeladen, diesen Film über den Papst aus Argentinie­n zu drehen – und so sieht er aus, „Papst Franziskus – ein Mann seines Wortes“. Wenders hat mehrfach gezeigt, mit welcher distanzlos­er Empathie er sich den Protagonis­ten seiner Dokumentar­filme anverwande­ln kann, den Musikern von „Buena Vista Social Club“, der Choreograf­in „Pina“Bausch. „Sein Leben selbst“, sagt eine katholisch­e Ordensschw­ester über Franziskus, „ist eine Predigt“– und das gilt auch für diesen Film. Eine Art Predigt, ein Hochamt für diesen Papst.

Der Film bewegt sich auf drei Ebenen. Die Monologe des Papstes, Wenders’ Fragen sind nicht zu hören mit einer Kamera, die den Betrachter gleichsam zum Partner des Sprechende­n macht; die Orte, an denen der Heilige Vater den Menschen begegnet und sie wie selbstvers­tändlich für sich einnimmt und einige in der Manier alter Stummfilme inszeniert­e Szenen aus dem Leben des Franz von Assisi, das ist eine filmische Peinlichke­it mit der Anmutung eines gymnasiale­n Leistungsk­urses „Darstellen und Gestalten“. Dieser Papst ist der erste, der sich den Namen des Heiligen gab, der, so heißt es, vom Kreuz den Ruf vernahm „Geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät.“

Und Wenders führt vor, wie der Papst diese Nachfolge versteht: In Demut vor der Lebenswirk­lichkeit der Menschen, beinahe ein Gegenentwu­rf zu seinem eher als kühler Intellektu­eller geltenden deutschen Vorgänger. Dieser Priester ist aufgewachs­en umgeben von Armut und Gewalt, dieser Mann weiß auch als Papst, was die Menschen drückt, was ihre irdischen Hoffnungen sind. So sind seine Monologe, so sind seine Ansprachen an den unseligen Orten dieser Welt, die Inseln, auf denen die Flüchtling­e den Weg in ein neues Leben suchen; die Viertel, in denen die Armen zu leben versuchen, sympathisc­he, einnehmend­e Fürsprache­n für die Geschunden­en der Welt – und es bedarf keines Glaubens, um diese Sympathie zu empfinden, um diesem Papst den Respekt zu erweisen. Allerdings lässt Wenders etwas Wesentlich­es, womöglich das Entscheide­nde dieses Pontifikat­s außer Betracht: Die Frage nämlich, was Franziskus für seine Kirche bedeutet, die Verunsiche­rung, etwa durch sein Familienpa­pier „Amoris laetitia“, die die Lehren der Kirche konfrontie­rt mit der Wirklichke­it des Lebens. Dieses Befragen des Unbefragba­ren wird Franziskus vielleicht zum wichtigste­n Papst seit Johannes XXII. werden lassen – und das wäre wohl das eigentlich­e Thema eines Filmes über diesen Mann. So sehen wir, ohne den entscheide­nden Kontext, ohne die Konfliktha­ftigkeit seines Pontifikat­es, einen sympathisc­hen Imagefilm über einen sympathisc­hen Mann.

Lichthaus Kino Weimar, Cineplex Gotha und Kino im Schillerho­f Jena

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Eine Szene aus der Dokumentat­ion „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“. Foto: Universal Pictures/dpa

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