Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Können ohne Zlatan gewinnen“
Der Schwede Emil Forsberg von RB Leipzig geht zuversichtlich in das Duell mit Weltmeister Deutschland am Samstag
unsere Mentalität. Bei uns geht es nur über das Kollektiv. Wenn Sie einen Artikel über die schwedische Mannschaft schreiben, können Sie „Mentalitätsmannschaft“als Überschrift nehmen. Anders als Deutschland oder Frankreich haben wir nicht unzählige Superstars.
Bis vor kurzem hatten Sie einen Superstar: Zlatan Ibrahimovic.
Genau. Er war unser Weltstar, auf den sich der Fokus gerichtet hat. Im Guten wie im Schlechten. Einerseits konnte uns Zlatan allein Spiele gewinnen. Andererseits kann man sich nicht mehr hinter ihm verstecken. Wir können auch ohne Zlatan Spiele gewinnen. Aber jeder muss nun 100 Prozent geben.
2010 musste Deutschland kurzfristig auf Kapitän Michael Ballack verzichten – und hat am Ende davon profitiert, weil andere Spieler in den Fokus geraten sind. Könnte es Schweden ähnlich ergehen?
Das ist ein guter Vergleich. Vorher hat es der eine oder andere bei uns auch vielleicht schon mal bei 80 Prozent belassen, weil jeder wusste, dass Zlatan am Ende ja doch wieder sein Tor macht. Jetzt bin ich fest davon überzeugt, dass auch bei uns solche Spieler Verantwortung übernehmen müssen, die vorher noch keine Führungsspieler waren. Das kann unserer Mannschaft aber durchaus gut tun.
Gehören Sie auch zu diesen Spielern, die nun mehr Verantwortung übernehmen müssen?
(Überlegt lange.) Kann schon sein. Ich habe schon das Gefühl, dass nach Zlatans Rücktritt der Druck oder die Erwartung an meine Person zugenommen hat. Aber das ist schon in Ordnung. Ich übernehme gerne mehr Verantwortung – und ich denke schon, dass auch ich Spiele alleine entscheiden kann. Über die gesamte WM können wir aber nur als Team überzeugen.
Was hat sich nach Ibrahimovics Rücktritt bei Ihnen geändert?
Mir war sofort klar, dass ich jetzt einen Schritt nach vorne machen muss. Ich merke, dass man von mir nun auch mehr erwartet als vorher. Ich empfinde das aber als positiven Druck.
In einem Interview wurden Sie einmal um eine Ibrahimovic-anekdote gebeten und Sie haben berichtet, dass er vor allem nach schlechten Trainingseinheiten zu Ihnen gekommen sei und – halb im Spaß, halb im Ernst – Sie penetrant gefragt hat, warum Sie so schlecht trainiert hätten. Nerven Sie jetzt auch Ihre Kollegen mit derlei Penetranz?
(Lacht.) Jein. Manche Dinge kann nur Zlatan. Aber ich gehe schon auf die jungen Spieler zu und rede mit Ihnen. Gerade im Erfolgsfall muss man den einen oder anderen daran erinnern, bloß nicht zufrieden zu sein und nicht nachzulassen. Manchmal muss man den Jungs ja auch ein wenig Feuer unter dem Arsch machen. Das sagt man doch so in Deutschland, oder?
Absolut. Ist es vielleicht gar nicht so schlimm, dass Superstar Ibrahimovic nicht bei dieser WM dabei ist?
Naja, wir haben uns ja auch ohne ihn für die WM qualifiziert. Ich denke schon, dass wir als Mannschaft nicht schlechter spielen als vorher.
Ibrahimovic war Ihr Kindheitsidol?
Jeder schwedische Junge hatte Zlatan als Idol. Ich natürlich auch. Ehrlich gesagt, hatte ich viele Idole. Ich habe mir gerne die besten Fußballer angeschaut und mir versucht, Dinge abzuschauen. Zlatan war einer von ihnen. Aber auch Michael Owen, Ronaldinho oder Messi.
Nervt es Sie, immer auf Zlatan Ibrahimovic angesprochen zu werden?
Nein. Er war und ist sicher Schwedens bester Fußballer aller Zeiten. Aber jetzt müssen wir eben ohne ihn auskommen. Und ich habe das Gefühl, dass uns das auch ganz gut gelingt. Immerhin haben wir Italien in der Qualifikation rausgeschmissen. Durch unsere Geschlossenheit können wir jede Mannschaft der Welt besiegen. Wir haben auch Frankreich geschlagen. Aber wenn bei uns nicht alle 100 Prozent geben, können wir auch gegen jeden verlieren. Unser größter Trumpf ist, dass wir niemals aufgeben.
So war das 2012, als Deutschland zuletzt auf Schweden traf.
Genau, das 4:4 in Berlin. Das Spiel ist ein gutes Beispiel für unsere Mentalität. Wir machen einfach immer weiter, auch wenn wir mutmaßlich aussichtslos 0:4 zurückliegen.