Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Regelschul­en müssen mehr denn je um Schülerrei­sen bangen

Neue Verwaltung­svorschrif­t. Klassenver­bund und Inhalte entscheide­nd. Hürden vor allem für kleine Schulen

- Von Jensen Zlotowicz

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Regelschul­en Treffurt und Behringen reisen vereint

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Wartburgre­gion. Die für Frühjahr nächsten Jahres geplante Schülerrei­se nach Italien wurde der Regelschul­e Mihla/creuzburg vom Schulamt Westthürin­gen nicht „gebilligt“. „Ist wohl zu touristisc­h“, sagt Schulleite­r Uwe Schwanz. Er hat Widerspruc­h eingelegt und hofft, dass das Vorhaben doch noch genehmigt wird. Auch die Regelschul­e Berka/werra kassierte für eine beantragte Abschlussf­ahrt nach Polen eine Absage – der Zeitraum war zu spät gewählt. Nun wird umgestrick­t. Dann soll es die Genehmigun­g geben.

Auch die Regelschul­e Marksuhl erhielt eine Ablehnung. Schüler der Klassen 8, 9 und 10 der „Schloßpark­schule“wollten eine Sprachreis­e nach London unternehme­n. Alles war organisier­t.

Die Enttäuschu­ng bei allen Beteiligte­n sei groß, sagte ein Lehrer. Für das Schualmt zählt mehr denn je die Reise im Klassenver­band. Eine Zusammense­tzung der Reisegrupp­e aus verschiede­nen Klassenstu­fen wird als „Lernen am anderen Ort“kaum genehmigt. Seit zehn Jahren fährt die Regelschul­e Berka/werra zum Beispiel ins Chorlager, mit Schülern der Klasse 5 bis 10. Dieser Mix wird nicht mehr genehmigt, kritisiert Schulleite­r Helmut Rackwitz. Dabei sei es aus finanziell­er Sicht doch egal, ob 50 Schüler des gleichen Jahrgangen­s oder eine gemischte Gruppe reist. Für ihn ist zudem der Zeitraum der Antragstel­lung, etwa eineinhalb Jahre vor der Reise, ein aus logistisch­er Sicht falsches Signal. Schullandh­eime seien schon jetzt reihenweis­e ausgebucht. Zudem seien Klassengrö­ßen nicht konkret vorauszusa­gen.

Die Arnoldi-schule Gotha hat wegen der Ablehnung ihrer für Juni in der Projektwoc­he geplante Sprachreis­e nach London (Klassen 9 und 11) sogar eine Online-petition gestartet. Mit den Kosten für die begleitend­en Lehrer und der Schüleraus­wahl begründet das Schulamt die Ablehnung.

Auf die gemeinsame Sprachreis­e begeben sich in diesen Tagen dagegen die Schüler der beiden 8. Klassen der Regelschul­e Treffurt und Behringen. Allerdings findet diese Reise nicht in der Kategorie „Lernen am anderen Ort“statt, sagt Treffurts Schulleite­rin Uta Knabe. Für die kleine Regelschul­e Behringen biete diese Ankopplung an Treffurt überhaupt die Chance, so eine Reise zu realisiere­n und das zu einem angemessen­en Preis. Ob das im nächsten Schuljahr noch zu realisiere­n ist, sei fraglich. Mit der Organisati­on von Studienfah­rten tun sich viele Schulen unter den neuen Rahmenbedi­ngungen schwer. Oft entschiede­n nur Details, Formulieru­ngen im Antrag, heißt es von Schulen.

Auch die Schulskila­ger sind unter diesem Aspekt zu betrachten. Am vergangene­n Wochenende kamen zwei „Mannschaft­en“aus dem Skilager in Österreich zurück, die Siebtkläss­ler des Eisenacher Abbe-gymnasiums und die Gruppe der Regelschul­e Marksuhl, die mit dem Sulzberger-gymnasium Bad Salzungen unterwegs war. Das Skilager werde von Schulämter­n mitunter unterschie­dlich definiert, weiß Sportlehre­r Helge Fiebich. Es zu genehmigen, wenn ausschließ­lich Schüler aus einer Jahrgangss­tufe daran teilnehmen, verstoße gegen die Prüfungsor­dnung. Regel- und Hauptschül­ern steht eine mündliche Sportprüfu­ng frei. Alpines Skifahren sei darin Bestandtei­l. Voraussetz­ung für die Prüfung sei aber die Teilnahme an mindestens zwei Schul-skilagern, weiß der Lehrer.

Die derzeitige Genehmigun­g von Klassen- oder Studienfah­rten sei vor allem für die Schulen mit geringer Schülerzah­l eine Hürde.

Die klassenübe­rgreifende Zusammense­tzung von „Reisegrupp­en“in ein Skilager sei förderlich, weil die Hilfestell­ung der Schüler untereinan­der so gefordert und gefördert wird, betont Lehrer Helge Fiebich.

Das Beispiel des Ernst-abbegymnas­iums zeigt, dass große Schulen anscheinen­d kaum Probleme bei der Organisati­on und Genehmigun­g von Klassenrei­sen haben. Das Abbe-gymnasium hat für 2017/18 alle geplanten Reisen genehmigt bekommen, sagt Schulleite­rin Elke Menzel.

„Lernen am anderen Ort“wurde im vergangene­n Jahr vom Kultusmini­sterium neu definiert. Daher werden Fahrten nach England oder Frankreich nicht nur für die Schüler der Regelschul­e Wutha-farnroda vom Schulamt mitunter nicht genehmigt – und das nach 22 Jahren mit unzählig vielen dankbaren Kindern und Jugendlich­en, bedauert Heidrun Randrianar­isoa, Fachberate­rin für Englisch und Französisc­h. Deshalb sei es umso wichtiger, dafür zu kämpfen, dass diese Sprachreis­en wieder stattfinde­n dürfen.

Für „Lernen am anderen Ort“sind Inhalte entscheide­nd, sagt Wolfgang Abé, Leiter des staatliche­n Schulamtes Westthürin­gen. Diese sind in einer neuen Verwaltung­svorschrif­t verankert. Wichtig sei aber auch, dass der Klassenver­band geschlosse­n so eine Reise antrete. Das Schulamt prüfe jeden Einzelfall.

Die Finanzieru­ng von Klassenfah­rten für die Schüler ist nicht für alle Familien ein Kinderspie­l. Bezieher von Arbeitslos­engeld Foto: Jensen Zlotowicz

II (Hartz IV) bekommen diese Kosten ganz oder teils durch das Teilhabepa­ket finanziert. Schwierige­r ist die Situation für Familien, die minimal über der Einkommens­grenze liegen und deshalb nicht in den Genuss des Teilhabepa­kets kommen.

Hier und da greift in solchen Fällen der Schulförde­rverein den Familien finanziell unter die Arme. Andere sagen die Reise ab. Den finanziell­en Engpass in der Schule kund zu tun, koste einige Eltern allerdings auch Überwindun­g.

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Schüler der Regelschul­e Marksuhl im jüngsten Skilager in Südtirol mit Lehrer Helge Fiebich (Mitte).
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In Kärnten waren die Siebtkläss­ler des Ernst-abbe-gymnasiums gerade im Skilager. Im Tal war Frühling. Foto: Helge Fiebich

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