Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Gewerkschaft fordert für Bäckergesellen mehr Lohn
Landesinnungsmeister Lutz Koscielsky aus Treffurt mahnt Blick auf die Regionen an. Andere Umsätze in Dorfbäckerei
Eisenach. Hundert Bäckereibeschäftigte in Eisenach sollen mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Damit will die Gewerkschaft Nahrunggenuss-gaststätten (NGG) einen drohenden Fachkräfteschwund in Thüringen verhindern. „Viele Bäckermeister im Freistaat klagen über fehlenden Nachwuchs. Gerade gelernte Kräfte suchen ihr Glück – und vor allem den höheren Lohn – lieber in anderen Bundesländern“, sagt Ngg-geschäftsführerin Christl Semmisch. Verantwortlich dafür seien neben der niedrigen Bezahlung auch die harten Arbeitsbedingungen. Die NGG fordert den Landesinnungsverband des Thüringer Bäckerhandwerks auf, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen.
In Bayern oder Hessen gehe ein erfahrener Bäckergeselle mit einem Stundenlohn von rund 14 Euro nach Hause, so Semmisch: „Davon können die allermeisten Beschäftigten in Thüringen nur träumen. Ein Großteil der gelernten Kräfte verdient kaum mehr als gesetzlichen Mindestlohn.“Das will die NGG „rasch ändern“.
Ziel sei ein zweistelliger Stundenlohn – also „10 Euro plus x“. Dieser Tarifvertrag sollte für alle Bäckereien gelten. „Schluss mit der Lohndrückerei. Der Dumping-konkurrenz muss ein Riegel vorgeschoben werden“, sagt Semmisch. Aus Sicht des Treffurter Landesinnungsmeisters Lutz Koscielsky stellt sich dies aber etwas anders dar. „Fakt ist, dass der Rückgang der Bäckereibetriebe ein ganz normaler gesellschaftlicher Entwicklungsprozess ist, und das sagt nichts darüber aus, dass es der Mehrheit der Bäckereien in Thüringen sehr gut geht“. In den landesweit 400 Betrieben würden rund 5000 Menschen beschäftigt.
Verändertes Einkaufsverhalten und veränderte Ernährungsgewohnheiten der Menschen sind auch ein Grund dafür, dass es heute deutlich weniger Bäckereien gebe als noch 1989. „Es ist für viele Leute völlig normal, für den Wocheneinkauf den großen Einkaufswagen einmal zu füllen, egal wo, Hauptsache billig, und egal was, Hauptsache es schmeckt einigermaßen“, so Koscielsky. Einen Lichtblick gebe es aber: Individuelle Produkte, Qualität, Regionalität, ethische Herstellung und Nachhaltigkeit der Produkte spielten zunehmend wieder eine Rolle.
Die Entgeltsituation der Beschäftigten sei je nach Region unterschiedlich. Und dem müsse auch ein Tarifvertrag Rechnung tragen. Ein Bäckermeister einer kleinen Dorfbäckerei im Thüringer Wald generiere andere Umsätze als ein Bäcker mit Standorten in 1a Lage in Erfurt. Deshalb, so Koscielsky, „sollten die Entgelte in den Betrieben weiterhin im Wesentlichen vom Bäckermeister/inhaber bestimmt werden. Er ist derjenige, der individuell und nach Leistung orientiert, die Gegebenheiten vor Ort, in seiner Region am besten einschätzen kann.“