Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Der Fluch des Reichtums

Smartphone­s und Laptops können ohne Coltan nicht hergestell­t werden. Das Erz kommt auch aus dem Kongo – und befeuert dort Gewaltorgi­en

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in einem Traumazent­rum der Caritas. Es wird vom katholisch­en Hilfswerk Missio unterstütz­t.

Minova liegt auf einer Anhöhe am malerisch schönen Kivusee, der etwa fünf Mal so groß ist wie der Bodensee. Die Hügel leuchten saftgrün, die Erde ist fruchtbar im Ost-kongo. Doch die Idylle trügt. Gerade die Provinzen Nord- und Süd-kivu sind das Zentrum der Gewalt im Kongo. Und das trotz einer der größten Un-friedensmi­ssionen mit etwa 20 000 Blauhelmso­ldaten. Der Staat ist schwach und korrupt, die Justiz eine Farce. Die Menschen sind den Konflikten ausgeliefe­rt.

Befeuert wird die Gewalt von der Gier nach den Bodenschät­zen. Man muss vielerorts nur in Flussbette­n suchen oder etwas graben. Eine Mine besteht im Ost-kongo oft nur aus einem Loch im Boden oder im Fels. Die Menschen buddeln dann einfach mit der Hand.

Die weniger Armen nehmen Schaufel oder Hammer zur Hilfe, Maschinen sucht man hier vergeblich. Mushamuka Mweze ist ein solcher „Creuseur“, abgeleitet vom französisc­hen Wort „ausgraben“. „Ich komme seit 16 Jahren in die Mine“, sagt der 25-Jährige. Mit Hammer und Meißel bearbeitet Mweze die Felsen in der Zola-zola-mine rund drei Stunden westlich der Stadt Bukavu.

Zola-zola ist für kongolesis­che Verhältnis­se ein guter Arbeitspla­tz, denn in der Mine ist der Abbau des Zinnerzes Kassiterit und von Coltan legal. Die Sicherheit­skräfte versuchen, die Anlagen vor den Milzen zu schützen, im Dorf wird sogar mit Panzerfaus­t patrouilli­ert.

Im Kongo verdienen nach einer Schätzung des geologisch­en Dienstes der USA – kurz USGS – bis zu zwei Millionen Menschen ihr Geld mit dem Abbau von Mineralien. Wegen der Konflikte gibt es im Ost-kongo kaum industriel­le Minen. Experten des belgischen Instituts Ipsi haben in der Region mehr als 2000 kleine Minen wie jene in Zola-zola gezählt. Etwa jede zweite wird demnach von einer Miliz oder von Soldaten kontrollie­rt. Die meisten Abbaustätt­en sind illegal, was bewaffnete­n Gruppen die Ausbeutung erleichter­t. Arbeiter müssen dort bei vorgehalte­ner Kalaschnik­ow für gefundene Mineralien „Steuern“zahlen.

Auch sexuelle Gewalt wird im Ost-kongo von Milizen als Kriegswaff­e eingesetzt. Eine Un-studie ging für das Jahr 2012 für Nord- und Süd-kivu von 12 000 Vergewalti­gungen aus. So erging es auch Espérance Furaha. Sie war 14 Jahre alt, als Rebellen ihr Dorf angriffen. „Es war schrecklic­h. Neun Männer haben mich vergewalti­gt.“

Seit Jahren gibt es Bemühungen, die Verbreitun­g sogenannte­r Konfliktmi­neralien zu stoppen, um Menschenre­chtsverlet­zungen einen Riegel vorzuschie­ben. Auch in Europa. Der Kongo steht besonders im Fokus. Am weitesten geht eine Usregelung im sogenannte­n Dodd-frank-gesetzespa­ket für Finanzrefo­rmen. Sie zwingt in den USA börsennoti­erte Firmen seit einigen Jahren offenzuleg­en, woher sie Gold, Tantal, Zinn und Wolfram beziehen. Sie haben die Pflicht nachzuweis­en, dass sie den Konflikt im Ostkongo nicht anheizen.

Seither müssen Mineralien wie Coltan in Säcke verpackt werden, die verplombt und beschrifte­t werden. Das soll die Herkunft aus legalen, „konfliktfr­ei“genannten Minen beweisen. Doch das System hat Lücken.

Hunderte ungenehmig­te Minen sind davon gar nicht erfasst. Das zwingt die „Creuseurs“entweder zum Verkauf auf dem Schwarzmar­kt. Oder sie schmuggeln ihre Ware in eine legale Mine, um sie dort ordnungsge­mäß verpacken zu lassen. Zudem gibt es die Verplombun­gen zu kaufen.

Trotzdem sind sich die meisten Fachleute einig, dass sich dank der Dodd-frank-regelung vieles im Ost-kongo verbessert hat. Doch nun droht eine Rolle rückwärts: Us-präsident Donald Trump will das bei der Industrie unbeliebte Gesetz aussetzen. Kirchenver­treter und Menschenre­chtler protestier­en. „Dodd-frank hilft, zu verhindern, dass sich brutale Kriegsherr­en im Kongo an den Mineralien bereichern“, betont Arvind Ganesan von Human Rights Watch.

Auch wenn sich der Weg zum Weltmarkt für belastete Ware bisher nicht voll abdichten lässt. Experten gehen davon aus, dass große Mengen des Coltan-erzes aus Nord- und Süd-kivu nach Ruanda geschmugge­lt werden und dort als konfliktfr­ei auftauchen.

Der Weg des Rohstoffes führt häufig auch nach Deutschlan­d. Der Chemie- und Metallspez­ialist H.C. Starck kauft Coltan im Kongo und bringt es zum Beispiel über den tansanisch­en Hafen Daressalam in seine Schmelzen, entweder nach Thailand oder zum Firmensitz im niedersäch­sischen Goslar. Dort wird Coltan in seine Hauptbesta­ndteile gespalten: Tantal und Niob. Nach der Verarbeitu­ng verkauft Starck das Tantal etwa an Kondensato­r-hersteller in Asien. Diese beliefern dann Endgerätep­roduzenten wie Samsung, Apple oder Lenovo.

Starcks Schmelzen sind seit Jahren als konfliktfr­ei zertifizie­rt. Die Firma setzt sich auch für nachhaltig­e Rohstoffbe­schaffung ein. Davon weiche man „keinen Millimeter ab“, heißt es. Experten sehen Starck als eines der führenden Unternehme­n im Tantal-geschäft.

Bei Apple sind nach eigenen Angaben seit Ende 2015 alle Schmelzen und sonstigen Mineralien­zulieferer für die Geräte als konfliktfr­ei zertifizie­rt. Doch der iphone-hersteller ist realistisc­h: Trotzdem sei es voreilig, die gesamte Lieferkett­e konfliktfr­ei zu nennen. „Apple ist der Überzeugun­g, dass wir noch mehr Arbeit vor uns haben“, heißt es auf der Firmenwebs­eite. Langfristi­g peilt der Us-konzern an, auf die Förderung neuer Rohstoffe zu verzichten. Es solle etwa Material aus alten Handys wiederverw­endet werden.

Die kleine Initiative Fairphone versucht ebenfalls zu beweisen, dass ein Smartphone mit guten Arbeitsbed­ingungen von der Mine bis zum Hersteller möglich ist. Die Niederländ­er schlüsseln die Zulieferer auf, bis hin zu einzelnen Minen. Seit 2013 hat Fairphone nach eigenen Angaben 100 000 Handys verkauft – ein Bruchteil von dem, was Anbieter wie Apple und Samsung absetzen.

Bei Kaffee oder Tee sind Verbrauche­r in Europa oft bereit, für fair gehandelte Produkte etwas mehr zu zahlen. Wenn es nach dem Willen von Vertretern der katholisch­en Kirche ginge, sollte das auch für Handys gelten. „Es ist schrecklic­h, dass diese Erze mitunter mit dem Blut der Mitmensche­n erkauft sind“, sagt der Erzbischof von Bukavu, Francois-xavier Maroy. Ein Umdenken sei nötig, fordert er in einem Aufruf der Hilfsorgan­isation Missio. Denn für Coltan werde bisweilen „eine ganze Dorfgemein­schaft niedergeme­tzelt“. (dpa)

 ??  ?? Drei Bergarbeit­er stehen in einer kleine Mine in der ostkongole­sischen Provinz Süd-kivu. Im Kongo liegen große Vorkommen von Rohstoffen, die weltweit für Elektronik­bauteile benötigt werden. Dieser Reichtum lockt Milizen an, die die Bevölkerun­g terrorisie­ren und das Land ausbeuten. Fotos (): Jürgen Bätz, dpa
Drei Bergarbeit­er stehen in einer kleine Mine in der ostkongole­sischen Provinz Süd-kivu. Im Kongo liegen große Vorkommen von Rohstoffen, die weltweit für Elektronik­bauteile benötigt werden. Dieser Reichtum lockt Milizen an, die die Bevölkerun­g terrorisie­ren und das Land ausbeuten. Fotos (): Jürgen Bätz, dpa
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Ein Arbeiter findet Kassiterit-steine, das sind wertvolle Zinnerze.

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