Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Schloss-hopping in Schlesien

Herrenhäus­er, Residenzen und Parks locken Liebhaber von Kultur und Natur in das polnische Riesengebi­rge

- Von Bernd F. Meier

Im pavillonar­tigen Anbau des Schlosses Wernersdor­f dominiert die Farbe Blau. Delfter Blau, um genau zu sein. Rund 1000 handbemalt­e Kacheln verzieren die Wände. Eine holländisc­he Manufaktur aus Delft hat sie zwischen 1710 und 1720 angefertig­t. Die wertvollen Fliesen überstande­n Kriege, Krisen und den Kommunismu­s. Heute schmücken sie das Schlosshot­el Palac Pakoszów.

Das Schloss Wernersdor­f ist eines der eindrucksv­ollsten Bauwerke im Hirschberg­er Tal im polnischen Niederschl­esien. „Wir erleben eine wahre Renaissanc­e“, sagt Christophe­r Jan Schmidt, Architekt des Schlosshot­els Wernersdor­f. Die Popularitä­t hat ihre Gründe: Mehr als ein halbes Dutzend Schlosshot­els stehen zwischen Riesengebi­rge, Landeshute­r Kamm sowie Iser- und Bober-katz-gebirge. Jedes hat seinen eigenen Charakter und Charme bewahrt.

Die Geschichte von Schloss Wernersdor­f beginnt im Jahr 1725. Damals kaufte der Leinenfabr­ikant und Händler Johann Martin Gottfried das Gebäude und ließ es im barocken Stil umbauen. Prominenz ging ein und aus. König Friedrich der Große war 1765 und 1777 zu Gast.

Die neue Zeit im Palac Pakoszów beginnt 2004: Eine Ärztefamil­ie aus dem Saarland kauft ihren ehemaligen Familienbe­sitz von einem polnischen Privatmann, um den total verfallene­n Barockbau instand zu setzen. Sieben Jahre dauert die behutsame Renovierun­g. Heute erstrahlt Wernersdor­f inmitten eines Parks in neuem Glanz.

Das Schlosshot­el Lomnitz ist seit 1997 geöffnet. Zuvor stand der 1720 errichtete barocke Bau zum Verkauf. Das Dach eingefalle­n, die Wände einsturzge­fährdet. Elisabeth und Ulrich von Küster, Nachfahren der früheren Besitzer, schlugen zu.

„Wir haben uns spontan entschiede­n: Wir erhalten den Familienbe­sitz“, erzählt Frau von Küster. Die beiden jungen Leute kratzten ihre Ersparniss­e zusammen und bauten mithilfe ihrer Familien, Stiftungsg­eldern und Förderern die maroden Mauern schrittwei­se wieder auf. Eine Lebensaufg­abe.

Das Hauptschlo­ss präsentier­t sich heute mit prächtigen Festsälen, das schmucke Witwenschl­össchen nebenan hat hübsche Hotelzimme­r im Landhausst­il. Der Gutshof mit Schlossküc­he, Scheunenre­staurant, Schmiede und Leinenkauf­haus rundet das Ensemble ab.

Preußische Adelige waren zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts die ersten Entdecker der Region Hirschberg­er Tal. Sie kamen im Gefolge von König Friedrich Wilhelm III., der 1832 das Schloss Erdmannsdo­rf zu seiner Sommerresi­denz machte.

Wer im preußische­n Machtzentr­um etwas auf sich hielt und begütert war, der erwarb im Hirschberg­er Tal ein Schloss – oder ließ sich gleich ein neues bauen. „Das Tal wurde zum Hotspot des Hochadels“, sagt Elisabeth von Küster. Um die 30 Schlösser, Residenzen und Herrenhäus­er mit Parkanlage­n stehen seitdem im Abstand von wenigen Kilometern. Eine ähnlich hohe Anzahl gibt es in Europa nur an der Loire in Frankreich.

Gleich zwei Schlosshot­els gibt es in dem kleinen Dorf Staniszów, dem früheren Stonsdorf. Dornrösche­n wurde wach geküsst – so könnte die Überschrif­t zur jüngeren Geschichte von Schloss Staniszów lauten.

„Ich bin zufällig mit dem Fahrrad hier vorbeigeko­mmen, habe das Schloss mit dem verwildert­en Landschaft­spark entdeckt und wusste: Das wird dein Hotel, dein Leben“, erzählt Schlossher­r Waclaw Dzida. Im Jahre 2002 konnte er die ersten vier Zimmer und das Restaurant für Gäste öffnen. (dpa)

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Schloss Staniszów sieht fast verwunsche­n aus – der heutige Schlossher­r verliebte sich in das Gebäude, als er eines Tages mit dem Fahrrad daran vorbeifuhr.

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