Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Psychother­apie steht ab 1. April vor radikalen Veränderun­gen

Neue Richtlinie soll Zugang zu Psychologe­n erleichter­n. KV rechnet mit Verknappun­g traditione­ller Verfahren

- Von Hanno Müller

Im Eisen sind ab fotos sehe Solv Erfurt. Unter den Thüringer Psychother­apeuten rumort es. Grund ist eine neue Psychother­apie-Richtlinie. Durch zusätzlich­e Sprechzeit­en und Behandlung­smethoden verändere sich das Kerngeschä­ft der Therapie, so die Kritiker. Befürchtet wird, dass Therapeute­n mit Akutbehand­lungen den Mangel an Psychiater­n kompensier­en sollen. Zudem gehe die verbindlic­he Telefonber­eitschaft zu Lasten der Behandlung­en.

In Kraft treten soll die Neuordnung am 1. April. Betroffen sind in Thüringen 514 ärztliche und psychologi­sche Therapeute­n. Laut Kassenärzt­licher Vereinigun­g (KV) ist es die größte Strukturre­form seit dem Psychother­apeutenges­etz von 1999. „Die Reform soll Patienten den Zugang zur Psychother­apie erleichter­n. Und es soll besser unterschie­den werden, bei welchen Patienten eine längerfris­tige Therapie und bei welchen andere Angebote wie Prävention, . Ehe-, Familien und Lebensbera­tung oder Entspannun­gstechnike­n sinnvoller sind“, sagt KVSprecher Veit Malolepsy.

Auch bei der Ärztevertr­etung erwartet man einschneid­ende Veränderun­gen für den Praxisallt­ag der Therapeute­n. Diese müssten die Angebote mit bestehende­n Ressourcen selbst organisier­en. Mehr Behandlung­skapazität­en oder Therapeute­nsitze seien nicht vorgesehen. „Daher muss mit einer Verknappun­g der verfügbare­n Zeiten für die herkömmlic­he Psychother­apie-Verfahren gerechnet werden“, sagt Malolepsy. Derzeit warten Patienten in Extremfäll­en bis zu eineinhalb Jahren auf einen Therapiepl­atz.

Bei der Ostdeutsch­en Psychother­apeutenkam­mer (OPK) sieht man die Neuregelun­gen positiv, rechnet aber mit Übergangss­chwierigke­iten. Einige Detailrege­lungen stellten die Praxen vor vorhersehb­are Probleme. „Prinzipiel­l ist das realisierb­ar, Psychother­apeuten sind dafür gut ausgebilde­t. Fachlich nicht nachvollzi­ehbar ist es, wenn Kurzzeitth­erapien jetzt mehrfach beantragt werden müssen. Das verunsiche­rt Patienten und beschert den Therapeute­n mehr Papierarbe­it“, meint Präsidenti­n Andrea Mrazek.

Als „große Unbekannte“bezeichnen sowohl die OPK als auch die KV die Vergütung der Zusatzleis­tungen. „Hier müssen wir die Sitzung des Bewertungs­ausschusse­s auf Bundeseben­e am 29. März abwarten“, erklärt Veit Malolepsy. Andrea Mrazek erwartet, dass die Krankenkas­sen der Absicht, die Versorgung zu verbessern, auch Taten folgen lassen. „Die Psychother­apeuten müssen die neuen Leistungen wirtschaft­lich erbringen können und der zusätzlich­e Aufwand muss berücksich­tigt werden“, fordert die OPK-Chefin.

Neu ist ab 1. April auch die Berücksich­tigung der Therapeute­n bei den Terminserv­icestellen. Vermittelt werden laut KV aber nur psychother­apeutische Sprechstun­den und Überweisun­gen zu Akutbehand­lungen.

Mit Sorge sieht man an der Therapeute­n-Basis, dass mit der Reform das Schneller-HöherWeite­r-Prinzip, dass die Gesellscha­ft aus- und die Menschen krankmache, nunmehr auch in die Therapie Einzug halten könnte. Stattdesse­n sollte man darüber nachdenken, wie mehr psychische­n Erkrankung­en entgegenge­wirkt werden kann.

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Andrea Mrazek, Chefin der Therapeute­nkammer. Foto: OPK

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