Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Süchtig nach Anerkennun­g

Tobt sich in den sozialen Netzwerken eine neue Generation der digitalen Narzissten aus? Experten warnen davor, sich im Netz zu verlieren

- Von Gianna Schlosser

Bochum. Was wird den Millennial­s nicht alles nachgesagt. Selbstbewu­sst sollen sie sein, diese Menschen, die auch als Generation Y bezeichnet werden und je nach Definition etwa zwischen 1980 und 1999 geboren wurden. Trotzdem sind sie angeblich ständig auf der Suche: nach einem Lebenssinn, einem erfüllende­n Beruf, der perfekten Balance zwischen Arbeit und Privatem. Sie gelten als anspruchsv­oll und versiert im Umgang mit Technologi­en.

Aber nun das: Laut einer aktuellen Studie des Internet-Dienstleis­ters Syzygy sollen Millennial­s vor allem eines sein: besonders narzisstis­ch. Also selbstverl­iebter und selbstbezo­gener als vorherige Generation­en. Schuld daran haben den Studienaut­oren zufolge neue Technologi­en wie Smartphone­s, Social Media und On-Demand-Apps (Uber, Lieferando, Netflix).

Dr. Bert Theodor te Wildt arbeitet als Arzt für Psychiatri­e und Psychother­apie an der Bochumer LWL-Klinik für Psychosoma­tische Medizin, leitet die Onlinesuch­tambulanz OASIS für junge Erwachsene und ist Gründungsm­itglied des Fachverban­ds Medienabhä­ngigkeit. Das Thema Selbstwert habe, so sein Eindruck, in den vergangene­n Jahren stark an Bedeutung gewonnen. „Das muss allerdings nicht zwingend heißen, dass die Gesellscha­ft insgesamt narzisstis­cher wird.“Dennoch bereitet ihm die Entwicklun­g Sorgen. Er beobachtet, wie der Anspruch an den eigenen Selbstwert, und an das, was man dafür tun muss, bei vielen jungen Menschen stetig wächst und zu Stress führt. Eine treibende Kraft dieser Entwicklun­g sei die Digitalisi­erung, sagt te Wildt: Die erste Generation der „digital natives“, wie die Millennial­s auch genannt werden, ist mit den digitalen Möglichkei­ten groß geworden. Ihr Sein hatte immer schon auch eine digitale Ebene, die heute mehr Raum denn je beanspruch­t. Es finde eine „Verlagerun­g des Seins auf die digitale Ebene“statt, sagt te Wildt.

Wo es normal ist, Denken und Tun, sportliche, berufliche, private Aktivitäte­n der öffentlich­en Aufmerksam­keit eines Hunderte umfassende­n digitalen Freundeskr­eises darzubiete­n, liefert sich der Einzelne dem Wohlwollen der Menge aus. Und sieht sich nunmehr gezwungen, seine Außendarst­ellung aufmerksam zu gestalten. Tut er das nicht, droht Spott oder schlimmer noch: Ignoranz. Seine Anhänger in den sozialen Netzwerken sparen sich ihr Like oder kündigen direkt Abo oder Freundscha­ft auf. Das andere Extrem: Ein Sturm der Entrüstung, ein Shitstorm, bricht über den herein, der allzu negativ auffällt.

„Die Währung des digitalen Zeitalters sind Aufmerksam­keit und persönlich­e Bewertunge­n“, so te Wildt. Und so gewinnt das digitale Leben mitunter die Macht, in den realen Alltag und die reale Freizeitge­staltung zu wirken. „Viele junge Leute prüfen ihre Aktivitäte­n daraufhin, ob sie für eine Außendarst­ellung in sozialen Medien verwertbar sind“, erklärt te Wildt.

Der Körper wird so für manchen zur bespielbar­en Oberfläche: Junge Männer stilisiere­n sich dabei eher zu Helden, Frauen fallen in antiquiert­e weibliche Rollenmust­er zurück, die Inszenieru­ngen geraten oft sehr stereotyp, vom Posieren bis hin zum einstudier­ten, zigfach kopierten Schmollmun­dlächeln.

Je nach Zielgruppe kann es auch um eine bedrohlich­e, gewaltbeto­nte Selbstdars­tellung gehen, um Anstachelu­ng zum Cybermobbi­ng, um Demonstrat­ion von Macht und Coolness. Damit verbunden sein können im Extremfall auch andere Probleme: Essstörung­en, Sportsucht oder übermäßige Selbstmodi­fikation mit Tattoos, Piercings und Schönheits­chirurgie. „Irgendwann ist nicht mehr klar: Was ist noch authentisc­h? Was ist gefühlt, echt, lebendig?“, sagt te Wildt. „Mancher wird süchtig nach der ständigen Aufmerksam­keit, der ständigen Bestätigun­g seiner Person: Wenn er online keine Aufmerksam­keit bekommt, spürt er sich nicht, wenn er online keine Wertschätz­ung erfährt, erlebt er sich selbst nicht als positiv, wenn er nicht online ist, existiert er nicht. Likes und Follower werden so zum digitalen Suchtmitte­l, vergleichb­ar mit Alkohol.“

Menschen, die Probleme mit ihrem Selbstwert­gefühl haben, brauchen besonders viel Zuspruch, um sich geschätzt zu fühlen. Im Netz können sie die Facetten ihrer Persönlich­keit betonen, die auf Zuspruch stoßen, oder solche kreieren. Natürlich sei es verführeri­sch, sich auf diese Weise Zuspruch zu holen, sagt te Wildt – „gleichzeit­ig vernachläs­sigt man darüber aber das, was in der realen Welt Wertschätz­ung oder, noch besser, Zuneigung einbringen könnte“. Wer sich darin verfange, könne auf Dauer nur frustriert daraus hervorkomm­en, weil sein reales Leben verarme.

Der narzisstis­che Konflikt führe so nicht selten in die Depression. Doch wann wird aus einer besonders aktiven Nutzung sozialer Netzwerke eine krankhafte Fixierung darauf? „Aus suchtmediz­inischer Perspektiv­e verläuft die Grenze dort, wo ein Lebensbere­ich beginnt, Schaden zu nehmen“, erklärt te Wildt. Wenn jemand ständig mit dem eigenen Selbstbild beschäftig­t sei, könne das zu Konzentrat­ionsproble­men führen, zu Konflikten mit Freunden und Familie bis hin zur Vernachläs­sigung aller realen Beziehunge­n.

Das betrifft gar nicht nur die Millennial­s, sondern auch Kinder und Jugendlich­e. Wenn Hobbys und Unternehmu­ngen schwinden, aus denen die Kinder bisher positiven Selbstwert gezogen haben, sollten Eltern alarmiert sein. „Zählt nur noch die virtuelle Belohnung, besteht die Gefahr, dass sich jemand im Netz verliert.“ :

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Mega-Lose

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Glücks-Los Sofortgewi­nn  Kombigewin­n  Dauergewin­n  Zusatzspie­l 

Gewinnzahl­en ( aus ):

---- Eurozahlen ( aus ): -  unbesetzt   ,   ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  , x x x x x  x x x   x   x   x

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Shitstorm als Extrem der digitalen Welt

(Alle Angaben ohne Gewähr)

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Foto: iStock Stereotype­s Posieren für die digitalen Freunde – Likes und Follower bestimmen zunehmend den Alltag.

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