Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Baustellen des neuen Präsidente­n

Fünfte Republik Macron oder Le Pen: Der Gewinner der Stichwahl am 7. Mai in Frankreich muss große Probleme bewältigen

- Von Michael Backfisch

Berlin. Die Fünfte Französisc­he Republik beschreibt das politische System in Frankreich. Die Regeln sind in der Verfassung von 1958 festgelegt, die Charles de Gaulle, Leiter des französisc­hen Widerstand­s im Zweiten Weltkrieg durchsetzt­e. Sie setzt auf einen starken, direkt gewählten Präsidente­n, der auch die Regierung bestimmt.

Die Erste Republik wurde 1792 im Zuge der Französisc­hen Revolution ausgerufen. Sie endete mit der Kaiserkrön­ung Napoleons 1804. Die Zweite währte nur von 1848 bis 1852, die Dritte von 1870 bis 1940. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand die Vierte Republik, die politisch wegen der vielen Splitterpa­rteien extrem instabil war. (art) Paris. Am Ende war es doch überrasche­nd schnell klar: Der unabhängig­e Emmanuel Macron und die rechtsextr­eme Marine Le Pen ziehen am 7. Mai in die Stichwahl um die französisc­he Präsidents­chaft ein. Das ergaben Hochrechnu­ngen am Sonntagabe­nd nach der ersten Wahlrunde. Am späten Abend ließen sich beide von ihren Anhängern feiern. Doch egal, ob Macron oder Le Pen: Auf den Nachfolger von Präsident François Hollande warten gewaltige Probleme. Hier eine Übersicht über die größten Baustellen und die Rezepte der Bewerber:

Hohe Arbeitslos­igkeit

Die dramatisch­e Situation am Arbeitsmar­kt ist eine der größten Herausford­erungen. Die Arbeitslos­enquote liegt bei zehn Prozent und damit rund zweieinhal­b Mal so hoch wie in Deutschlan­d. Emmanuel Macron will die Beschäftig­ung durch ein öffentlich­es Investitio­ns-Programm in Höhe von 50 Milliarden Euro ankurbeln. Ein Drittel davon soll in Fortbildun­gsmaßnahme­n für Jugendlich­e und Arbeitslos­e fließen. Ferner will er das Arbeitsrec­ht lockern. Marine Le Pen setzt auf den Schutz heimischer Unternehme­n. Firmen, die Ausländer beschäftig­en, will sie mit zusätzlich­en Abgaben belasten.

Wachstumss­chwäche Frankreich­s Wirtschaft kommt nicht in die Gänge. Die Konjunktur hinkte in den vergangene­n drei Jahren in der Eurozone hinterher. 2016 lag das Wachstum bei 1,1 Prozent, die Eurozone kam dagegen auf 1,7 Prozent. Neben einem milliarden­schweren Investitio­nsprogramm baut Macron auf eine Angleichun­g der europäisch­en Wirtschaft­s-, Finanz- und Sozialpoli­tik. So sollen soziale Mindeststa­ndards erstellt werden. In einem Interview mit dieser Redaktion kritisiert­e er die deutschen Handelsübe­rschüsse als „nicht tragbar“und forderte einen Ausgleich. Le Pen will die französisc­he Industrie gegen den rauen Wind der Globalisie­rung schützen. Sie hat die von US-Präsident Donald Trump geplanten Importzöll­e gelobt. Darüber hinaus plant sie einen Austritt Frankreich­s aus der Eurozone und die Wiedereinf­ührung des Franc. Es soll ein Referendum zum Ausstieg des Landes aus der EU geben.

Schuldenbe­rg Frankreich und Deutschlan­d beim Schuldenst­and gleichauf. Seitdem ist Frankreich­s Defizit durch die Decke gegangen. Inzwischen türmt sich der Schuldenbe­rg auf 96 Prozent der Wirtschaft­skraft, Tendenz steigend. In Deutschlan­d sind es 68 Prozent, Tendenz sinkend. Macron will die öffentlich­en Haushalte durch Strukturre­formen entlasten. 60 Milliarden Euro sollen eingespart und 120 000 Stellen im öffentlich­en Dienst gestrichen werden. Im Gegensatz dazu verspricht Le Pen Wohltaten wie eine Herabsetzu­ng des Renteneint­rittsalter­s und eine Erhöhung des Mindestloh­ns.

Reformstau

Versuche, das Land zu reformiere­n, stoßen oft auf heftigen Widerstand. Für Betriebe ist es schwer, Entlassung­en vorzunehme­n. Dies liegt am starken Einfluss der Gewerkscha­ften. Deshalb ziehen es die Unternehme­n vor, neue Stellen auf befristete­r Basis zu schaffen. Die 35Stunden-Woche untergräbt die Wettbewerb­sfähigkeit der Wirtschaft ebenso wie zu starre Vorgaben für Firmen. Macron will erreichen, dass sich Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er auf Betriebseb­ene über eine Lockerung des Kündigungs­schutzes verständig­en können. Die 35-StundenWoc­he soll unangetast­et bleiben. Le Pen hält von sozialpoli­tischen Reformen nichts. Sie plädiert für einen Ausbau des Sozialstaa­ts und Abschottun­g gegenüber der Globalisie­rung.

Terror

Die Serie islamistis­cher Anschläge seit Anfang 2015 hat Frankreich tief erschütter­t, 238 Menschen wurden ermordet. Im Land gilt der Ausnahmezu­stand. Macron sucht den Dialog mit der muslimisch­en Gemeinde in Frankreich und will Polarisier­ung vermeiden. Dennoch verlangt auch er 10 000 zusätzlich­e Polizeiste­llen zum Schutz gegen den Terror. Le Pen ist das zu wenig: Sie will die Zahl der Ordnungshü­ter um 15 000 erhöhen. Zudem macht sie sich für härtere Gefängniss­trafen stark. Alle Ausländer, die ein Verbrechen begehen oder eines Vergehens beschuldig­t werden, sollen sofort außer Landes gebracht werden.

Einwanderu­ng und Identität Einwanderu­ng und Integratio­n, der Platz der Religion (und vor allem des Islam) in der Gesellscha­ft und die Werte der Republik sind in Frankreich seit Jahren ein Reizthema. Das zeigte die aufgeheizt­e Debatte um lokale Verbote von „Burkinis“(Ganzkörper-Schwimmanz­üge für Musliminne­n) im vergangene­n Sommer an der Côte d’Azur. Macron hat die Flüchtling­spolitik von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gelobt. Doch auch er will keine unbeschrän­kte Aufnahme von Migranten. Le Pen spricht sich hingegen für einen sofortigen Aufnahmest­opp aus.

Um die Jahrtausen­dwende lagen

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Im ersten Wahlgang hat sich Emmanuel Macron durchgeset­zt. Der -Jährige trat am Abend mit seiner Frau Brigitte (oben) vor seine feiernden Anhänger (rechts). Am . Mai tritt er in der Stichwahl gegen Marine Le Pen an (links). Fotos: dpa/rtr()
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