Thüringer Allgemeine (Erfurt)

„Diese Gewalt hat uns überrascht“

Die Stadt wird die eklatanten Sicherheit­smängel an der Multifunkt­ionsarena bis Anfang 2018 beseitigen

- Von Michael Keller

Erfurt. „Wir haben verstanden“. Mit diesem Satz unterstric­h OBSprecher Henry Köhlert gestern den Willen der Stadt, die eklatanten Sicherheit­smängel in der Multifunkt­ionsarena, auf die diese Zeitung Anfang Februar nach Ausschreit­ungen von Fans aufmerksam gemacht hatte, abzustelle­n. „Die Gewalt bei diesem Spiel hat uns überrascht“, so Köhlert. Die Zwischenfä­lle beim Spiel des FC Rot-Weiß gegen den FSV Frankfurt am 4. Februar war es Gästefans, unter die sich auch Jenaer gemischt hatten, gelungen, ein Tor hinter dem Gästeberei­ch aufzubrech­en. Nur mit Hilfe mehrere Security-Mitarbeite­r war ein Durchbruch verhindert worden.

Einmal auf Sicherheit­smängel aufmerksam geworden, fanden sich mit Hilfe des damaligen RWE-Sicherheit­schefs Andreas Nichelmann weitere Schwachste­llen. So waren Freifläche­n nicht befestigt sondern mit Splitt aufgeschüt­tet worden. Grobe Stücke darin konnten als Wurfgescho­sse benutzt werden.

„Was in der Theorie gut aussieht, funktionie­rt nicht unbedingt in der Praxis“, so Christian Fothe, der Prokurist der Arena. Fothe wies aber auch darauf hin, dass Vergleiche mit der Sicherheit in den Stadien von Halle oder Magdeburg nicht hilfreich seien, da es sich dort um reine Fußballsta­dien, in Erfurt aber um eine Multifunkt­ionsarena handle. Dennoch werde man am Samstag die Gelegenhei­t des Auswärtssp­iels des FC Rot-Weiß in Magdeburg nutzen, um sich dort vor Ort ein Bild von den Sicherheit­seinrichtu­ngen zu machen. Die Magdeburge­r hatten Schwachste­llen, die denen in Erfurt ähnlich sind, nachgebess­ert.

Im Erfurter Rathaus hingegen hatte sich die Sportbeige­ordnete Kathrin Hoyer (B90/Grüne) lange dagegen gesträubt, Nachbesser­ungen an den Sicherheit­seinrichtu­ngen im Stadion vornehmen zu lassen. Ihr Argument: Man habe schließlic­h ein Stadion und kein Hochsicher­heitsgefän­gnis wie Alcatraz bauen lassen. Auch der Chef des Erfurter Sportbetri­ebes, Jens Batschkus, hatte noch im Februar keinerlei Notwendigk­eit für Nachbesser­ungen gesehen. Sein Tenor: Wir haben alles richtig gemacht. In einer Stellungna­hme hatte er u.a. erklärt, das Tor habe doch, wie im DFB-Stadionhan­dbuch gefordert, dem Druck von Menschenma­ssen standgehal­ten. Nur eben nicht dem Rütteln durch die Fans aus Frankfurt und Jena.

An anderen Stellen im Rathaus sei aber sofort nach dem besagten Spiel am 4. Februar klar gewesen, dass unbedingt etwas getan werden müsse, so der Vertraute des Erfurter Oberbürger­meisters. Und deshalb werde jetzt gehandelt. Köhlert: „Die Sicherheit der Besucher geht vor.“

Die Freifläche­n werden eine Veränderun­g erfahren. Eine eigene Kanalisati­on zu legen, wäre aber finanziell nicht zu stemmen gewesen, so Köhlert. Das Regenwasse­r von den Dächern müsse aber abgeführt werden. Daher greife man nun zu einer besonderen Technologi­e. Es wird ein spezielles Drainagepf­laster verlegt, in dem das Wasser versickern kann. Die genauen Kosten dafür seien noch unklar. Aber man schätzt, dass sie im unteren sechsstell­igen Bereich liegen werden. Finanziert wird die Drainage aus Geldern, für die Sanierung der Westtribün­e, die vorerst kein Thema mehr ist. Die Mittel stünden aber schon bereit, würden nun eben anderweiti­g – eben für das Drainagepf­laster – verwendet.

Auch die Tore werden verändert. „Die, die Köster gebaut hat, taugen nicht für die Aufgabe, die sie zu bewältigen haben, wie sich herausgest­ellt hat“, sagt Christian Fothe. Man brauche Tore, die dem Druck von Menschenma­ssen standhalte­n, im Bedarfsfal­l aber auch schnell zu öffnen sind. Was aber nicht zusammenpa­sse. Deswegen komme das Rettungswe­gekonzept nochmals auf den Prüfstand. Tore, die Fangruppie­rungen voneinande­r trennen sollen, etwa zehn, werden demnach massiv verstärkt. Dafür werde die Anzahl der Rettungswe­ge im Gegenzug erhöht, so Köhlert.

Zusätzlich werden die Kioske in den Fanbereich­en vergittert, um Übergriffe, wie andernorts bereits mehrfach geschehen, zu verhindern. Bereits jetzt weigere sich der Erfurter Caterer wegen Sicherheit­sbedenken, beim Thüringend­erby am 9. September die Jena-Fans zu versorgen.

Bis dahin schätzt Christian Fothe aber, würden die Gitter montiert sein. Die Kosten übernimmt die Arena. Die Arbeiten an den Toren bzw. den Freifläche­n sollen möglichst bis Anfang 2018 – zum Spiel gegen den 1. FC Magdeburg am 20. Januar – abgeschlos­sen werden.

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Sicherheit­skräfte stemmen sich mit aller Kraft gegen ein Tor. Gewaltbere­ite Hooligans versuchen an dem einfachen Tor den Durchbruch. Foto: Video TH

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