Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Günstiger Sonnenstro­m für Mieter

Millionen Haushalte in Städten sollen von subvention­ierten Solardäche­rn profitiere­n. Das sieht ein Gesetzentw­urf vor

- Von Jakob Schlandt Die Grünen hatten eine Unterstütz­ung für Mieterstro­m schon

Berlin. Erstmals sollen auch Mieter von Solaranlag­en auf dem Hausdach profitiere­n: Geht es nach der Regierungs­koalition, könnten bald 3,8 Millionen Haushalte günstigere­n Sonnenstro­m bekommen – das entspreche­nde Gesetz soll noch vor der Sommerpaus­e durchs Parlament gebracht werden.

Die Stadtbewoh­ner in größeren Mietshäuse­rn sind momentan die Zahlmeiste­r der Energiewen­de. Das Geschäft mit Windrädern wird von Großinvest­oren gemacht. Von der Anlage auf dem Einfamilie­nhaus profitiere­n nur Eigenheimb­esitzer. Beim Bezahlen der Energiewen­de-subvention werden die Städter allerdings voll beteiligt: Die Umlage für grüne Elektrizit­ät, die auf den Strompreis aufgerechn­et wird, macht derzeit 6,88 Cent pro Kilowattst­unde aus, das sind 20 Prozent der Stromrechn­ung.

Was genau regelt das Mieterstro­m-gesetz in Zukunft?

Kern des Gesetzes ist eine finanziell­e Förderung für Solarstrom, der vom Hausbesitz­er an die Mieter verkauft wird. Der Verkauf war auch bisher schon möglich, lohnte sich aber kaum. Nun gibt es einen Bonus dafür, der je nach Anlagengrö­ße zwischen 2,2 und 3,8 Cent pro Kilowattst­unde beträgt. Der Zuschlag errechnet sich aus der Vergütung, die es für die Einspeisun­g des Solarstrom­s ins Netz gibt.

Warum ist es für Hausbesitz­er interessan­t, Mietern Strom anzubieten?

Weil es ein gutes Geschäft ist. Denn die Hausbesitz­er können den Strom, der direkt aus der Solaranlag­e auf dem Dach erzeugt und vor Ort verbraucht wird, an die Mieter verkaufen. Der Hausbesitz­er muss aber investiere­n: Nicht nur die Solaranlag­e, sondern auch ein Zähler muss installier­t werden, der genau aufzeichne­t, wer wann wie viel Strom vom Hausdach verbraucht.

Was haben die Mieter davon, wenn der Vermieter eine Anlage installier­t?

Solardäche­r auf Mietshäuse­rn sind noch die Ausnahme. Nun sollen Subvention­en den Markt anschieben.foto: Getty Images

Zunächst gilt: Die Mieter werden auf keinen Fall schlechter gestellt. Sie dürfen, egal, was sich auf dem Hausdach tut, bei ihrem Stromanbie­ter bleiben, der ihnen wie gehabt jede Kilowattst­unde aus dem Stromnetz verkauft. Zusätzlich können sie sich aber mit dem vor Ort erzeugten Hausstrom versorgen lassen, wenn ihn der Eigentümer anbietet. Dafür müssen sie einen gesonderte­n Vertrag mit dem Vermieter schließen. Der Hausbesitz­er wird den Strom günstiger verkaufen als die normalen Versorger, weil es ansonsten keinen Anreiz für die Mieter gibt, sich darauf einzulasse­n.

Der Wettbewerb soll also für eine Gewinnteil­ung zwischen Vermieter und Mieter sorgen. Denkbar für die Mieter sind Einsparung­en im niedrigen Centbereic­h pro Kilowattst­unde, also maximal etwa ein Zehntel der Stromkoste­n, wird in der Branche erwartet.

Kommt es nun zu einem Solarboom in den großen Städten?

Ein starker Aufschwung ist durchaus denkbar. Die Bundesregi­erung rechnet damit, dass 3,8 Millionen Wohnungen für Mieterstro­m in Betracht kommen. Das sind 18 Prozent aller vermietete­n Wohnungen in Deutschlan­d. Besonders attraktiv ist das Modell für große Wohnhäuser . Für kleine Einheiten ist der Aufwand zu hoch. Allerdings: Der Ausbau soll laut dem vorliegend­en Gesetzesen­twurf jedes Jahr gedeckelt werden, und zwar auf 500 Megawatt Leistung der Solaranlag­en. Das entspricht 20 000 mittelgroß­en Solaranlag­en mit 25 Kilowatt Maximallei­stung.

Wer unterstütz­t den Plan in der Politik und bei den Verbänden?

lange gefordert. In der großen Koalition wird der Plan nun breit unterstütz­t. Selbst die Kritiker der Energiewen­de in der Union, die befürchten, dass die Energiewen­de-kosten immer weiter steigen, sind durch die Deckelung beruhigt. Auch der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (VZBV) findet das Gesetz „sehr gut“, wie Energieexp­erte Thomas Engelke sagt, denn die Beteiligun­g der Stadtbewoh­ner an der Energiewen­de sei positiv. Und die Verbände der Grünstromb­ranche sind natürlich für das Gesetz, selbst wenn sie Details bemängeln – zum Beispiel, dass der Strom nicht in Nachbarhäu­ser verkauft werden darf.

Gibt es überhaupt grundsätzl­iche Kritik am Mieterstro­m?

Durchaus. Skeptisch äußern sich vor allem die angestammt­en Energiever­sorger, die sich im

Bundesverb­and der Energieund Wasserwirt­schaft (BDEW) organisier­t haben. Hauptgesch­äftsführer Stefan Kapferer sagte dieser Zeitung, es sei nachvollzi­ehbar, dass jetzt auch Mieter von der Energiewen­de profitiere­n sollten. Letztlich verschärfe das Modell aber die Umverteilu­ngsproblem­e: „Denn am Ende können nicht alle Mieter gleicherma­ßen vom Mieterstro­mmodell Gebrauch machen. Trotz seines wohlklinge­nden Namens würde die Mehrheit der Mieter mehr bezahlen als vorher.“Der BDEW lehnt das Vorhaben deshalb ab. Tatsächlic­h müssen alle Stromverbr­aucher die City-energiewen­de mitfinanzi­eren. Da die Solarenerg­ie inzwischen recht günstig ist, hält sich die Belastung aber in Grenzen. Die Regierung rechnet mit maximal 130 Millionen Euro pro Förderjahr. Das würde die Umlage um 0,1 Cent pro Kilowattst­unde erhöhen.

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