Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Sprache als Schlüssel zur Welt soll Kindern gleiche Chancen geben

Sechs Kindergärt­en im Landkreis sind Sprach-kitas. Wie sie arbeiten, zeigt das „Spielhaus“in Ballhausen

- Von Sabine Spitzer

Ballhausen. Max ist im Matsch steckengeb­lieben. Der Fünfjährig­e muss seine ganze Kraft aufwenden, um den Fuß samt Gummistief­el wieder herauszuzi­ehen. Wenig später schaut sich der Junge einen Matsch-klumpen unter dem Mikroskop an. „Sieht aus wie eine Weltkarte“, sagt sein Freund Tim-louis. Aber Max erinnert das Matschgebi­lde eher an eine Rampe, auf der Autos zu spektakulä­re Saltosprün­gen abheben.

„Jedes Kind sieht die Dinge mit anderen Augen und empfindet sie auch anders“, erklärt Diana Thalmann. Die 51-Jährige aus Schönstedt ist Sprach-expertin im Kindergart­en in Ballhausen. Denn das „Spielhaus“ist seit Anfang Februar „Sprach-kita“. Mit dem gleichnami­gen Programm des Bundesfami­lienminist­eriums wird derzeit die Sprache an Kindertage­sstätten gefördert. Mehr als 4000 Einrichtun­gen nehmen deutschlan­dweit daran teil, im Landkreis sind es sechs. Die Sprach-kitas werden mit einer zusätzlich­en Fachkraft ausgestatt­et, in Ballhausen ist es Diana Thalmann. „Sprache ist der Schlüssel zur Welt“, erklärt sie und verweist damit auf das Motto des Bundesprog­ramms. Ihre Aufgabe ist es, sich im „Spielhaus“der Sprache im Alltag bewusster zu widmen. „Heute wird nicht mehr so intensiv gesprochen“, berichtet die Expertin. Weil alle Kinder die gleichen Chancen bekommen sollen, müsse bereits im Kindergart­en der Grundstein gelegt werden. „Wenn die Kinder nicht richtig sprechen können, können sie später in der Schule auch nicht richtig schreiben“, verweist Diana Thalmann auf die Folgen. Für die 51-Jährige ist diese Aufgabe eine neue Herausford­erung. Sie hat als Erzieherin in einem Mühlhäuser Kindergart­en bereits die Erfolge des Programms erleben dürfen. Jetzt will sie selbst als Sprach-expertin Kinder bei der Sprach-bildung unterstütz­en. Sie absolviert parallel eine Ausbildung und gibt das Erlernte an die Kindergart­en-mitarbeite­r weiter. Sämtliche Handlungen begleiten die Erzieher ganz bewusst mit Sprache. „Beim Anund Ausziehen führen wir mit den Kindern Gespräche“, erklärt Thalmann. Auch über Musik und Bewegung könne man die Sprache vermitteln. „Hemmungen werden hierbei besonders gut abgebaut“, sagt sie. Und nicht zuletzt rege die Raumgestal­tung zur Kommunikat­ion an. Alles wirke anregend – zum Spielen und zum Reden. Zudem gibt es Themen, die den Monat im „Spielhaus“bestimmen. Im Februar ging es um die Körperpfle­ge, derzeit um den Morgenkrei­s und um die mittäglich­en Gesprächsr­unden. Das dokumentie­rt Diana Thalmann und hängt es im Erdgeschos­s des Kindergart­ens aus, damit sich die Eltern informiere­n können. Oft sieht sie vor dem Aushang Kinder mit ihren Eltern stehen – und reden. „Auch die Eltern-kind-kommunikat­ion ist somit bewusster“, freut sich Thalmann. „Wenn die Eltern jetzt ihr Kind fragen, was es gemacht hat, erinnert es sich nicht nur an das Mittagesse­n“, macht sie deutlich.

„Die deutsche Sprache verkümmert“, weiß auch Kindergart­enleiterin Elfriede Thomas, die seit mehr als 40 Jahren als Erzieherin arbeitet. Es ist wissenscha­ftlich erwiesen, dass Kinder heute schlechter sprechen als früher. Über die Gründe könne man nur spekuliere­n, meint Thomas. Studien beweisen, dass sprachlich­e Bildung besonders wirksam ist, wenn sie früh beginnt. Das sei auch für sie der Grund gewesen, eine Bewerbung für das Programm „Sprach-kitas“einzureich­en. Laut Thomas hat sich an der Arbeit der Erzieher im Kindergart­en letztlich kaum etwas verändert. Nur, dass bewusster beobachtet

Studien belegen: Kinder sprechen heute schlechter

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Im „Butzemannh­aus“in Mühlhausen ist Katharina Beck Sprach-fachkraft. Hier spielt sie mit Elias (), Alina () und Amira (, von links) und fördert damit die Kommunikat­ion. Foto: Alexander Volkmann

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