Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Müntzer vom Feuer geküsst
Das 14. Bauernkriegsspektakel greift Konflikt zwischen dem Mühlhäuser Reformatoren und Martin Luther auf
Jugendpfarrer Thomas Gehlfuß freut sich über den Besuch von Bischof Ulrich Neymeyr Mühlhausen. Die Wirtsleute sind dem Regisseur zu leise. Daher schickt er in der Pause den halb nackten Abt mit Instruktionen. Einer von denen, die mehr Krawall machen sollen ist Silvio Rödiger. Der 52-Jährige kommt aus Hollenbach. Er ist schon ein alter Hase beim Müntzer-spiel, das am Samstag zum 14. Mal in Mühlhausen auf die Bühne gebracht wurde. Nur bei der Premiere war Rödiger nicht dabei. Eine der zwei Aufführungen fiel regelrecht ins Wasser. Die Stadtverwaltung, die Veranstalter ist, musste das Historienspiel am Freitag wegen des Unwetters absagen. Am Samstagabend erlebten 200 Zuschauer vor der eindrucksvollen Kulisse der Mühlhäuser Kornmarktkirche ein überaus gelungenes Freiluft-spektakel, das diesmal den Titel „Vom Feuer geküsst“trug. Besonderheit im Reformationsjubiläumsjahr war, dass zwei Geschichten parallel erzählt wurden – die des Geächteten Martin Luther und die des Rebellen Thomas Müntzer. 50 Mitwirkende, darunter 30 Laiendarsteller aus Mühlhausen und Umgebung, boten kurzweilige Unterhaltung. Ob nun die Musik- und Gesangseinlagen des Duos Pampatut mit Holger Hoffmann und Max von Gluchowe oder die beeindruckenden Showkämpfe – den Darstellen gelang es, das Publikum in die Zeit des stürmischen Mai im Jahr 1525 zurückzuversetzen. Wolfgang Gundacker führte Regie bei dem Stück, welches der Eisenacher Schauspieler und Autor Matthias H. Herzer schrieb. Gundacker selbst schlüpfte in die Rolle des Totengräbers.
In den Hauptrollen brillierten Ernest Goldhahn als Thomas Müntzer und Daniela Schwalbe als Müntzerin sowie Lutz Leyh als Martin Luther und Eva Medusa Gühne als Katharina von Bora. Glanzleistungen zeigten auch Holger Hoffmann (Heinrich Pfeiffer) und Ralph-uwe Heinz, der als Abt die wohl härteste Rolle hatte. Er musste die meiste Zeit nur mit Unterhosen bekleidet spielen, während sich die meisten im Publikum mit Decken wärmten.
Der Urheber der Spielszenen, Matthias H. Herzer, ist auch durch Tv-produktionen, wie „Familie Dr. Kleist“, „Tatort“oder „Schloss Einstein“bekannt. „Nach dem Thüringentag 2003 in Mühlhausen, für den ich eine kleine historische Aufführung konzipiert hatte, entstand die Idee einer dauerhaften historischen Veranstaltung“, erklärte er. 2004 wurde dann das erste „Müntzer-spiel“in Szene gesetzt. „Die Grundidee sah eine Art Improvisationstheater vor, das an diversen Originalschauplätzen aufgeführt wurde. Die Resonanz war sehr positiv, und wir führten das Projekt fort“, so Herzer. Seither schrieb und gestaltete er die Stücke. Mit der Zeit wurde das ursprüngliche Konzept weiter entwickelt, bis 2016 erstmals eine große Freilichtinszenierung vor der Kornmarktkirche stattfinden konnte. „Beschäftigt man sich mit Müntzer, kommt man nie um Luther herum. Persönlich sollen sich beide Männer nie begegnet sein, was den Umgang mit diesem Thema für eine Bühnenadaption umso spannender macht“, informierte Herzer.
Dennoch hatte er lange gehadert, ob er im Lutherjahr den Konflikt auf die Bühne bringen soll. „Ich finde den derzeitigen Luther-hype etwas aus dem Ruder gelaufen. Der Reliquienhandel 2.0 mit der Vermarktung der zum Teil unmöglichsten Lutherprodukte scheint eine höhere Wertigkeit zu haben als eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Person Martin Luther.“In seinen Augen werde derzeit zu viel mit dem Weichzeichner gearbeitet. „Dies war für mich am Ende ausschlaggebend, Luther auf die Bühne zu stellen, um ihn auch mit sich selbst zu konfrontieren.“Herzers Kritik am „Luther-hype“klang leise auch im Stück an. „Luther, Luther, immer nur Luther im Lutherjahr“hatte er in die Dialoge eingebaut.
Silvio Rödiger zum Beispiel hält auch die Leistung von Thomas Müntzer für enorm. „Was er bewirkt hat, war beachtlich.“Er spielt aber vor allem in dem Historien-stück mit, weil ihm das Spaß bereitet. Er verkörperte zum 13. Mal den Zimmermann. Von Beruf ist er Dachdecker, er fertigt aber trotzdem ein Großteil der Kulisse selbst an. Den Galgen zum Beispiel, der das Leben des Abts aushaucht. „Der kommt jetzt wieder in die Scheune bis zum nächsten Jahr“, erklärte er.
Und Münzter? „Vielleicht brächte man auch heute wieder einen wie Müntzer. Einen, der aufräumt“, so Rödiger.
Luther-hype im aktuellen Lutherjahr
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