Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Ehe für alle: Thüringer CDU ist nach Kurswechsel gespalten
Landeschef und Junge Union dafür. Bundestagsabgeordnete mehrheitlich dagegen. Morgen Abstimmung im Bundestag
Erfurt. Vor der Abstimmung über die vollständige Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften geht ein Riss durch die Thüringer CDU. Landesund Fraktionschef Mike Mohring unterstützte den Kurswechsel der Bundesvorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel. Es sei „ein richtiger und gangbarer Weg, die Ehe für alle einer Gewissensentscheidung zu überlassen“, sagte er gestern der Thüringer Allgemeinen. Der Landeschef der Jungen Union, Stefan Gruhner, bezeichnete den Schritt Merkels als „sehr mutig“. Zwar übte er wie Mohring Kritik an der SPD, weil sie den Plan im „Schweinsgalopp“durchsetzen wolle. Dennoch ändere dies nichts daran, dass der neue Kurs stimme. Anders positionieren sich die meisten der neun Cdu-bundestagsabgeordneten aus Thüringen. Mindestens sieben werden nach Ta-informationen gegen die Ehe für alle votieren. „Man sollte Ungleiches nicht gleichmachen“, sagte Landesgruppenchef Manfred Grund. „Ich werde natürlich dagegen stimmen“, erklärte auch der Abgeordnete Christian Hirte. Bei der Abstimmung soll die eingetragene Partnerschaft von Homosexuellen der Ehe zwischen Mann und Frau vollständig gleichgestellt werden. Dabei geht es vor allem um die Bezeichnung „Ehe“und die Möglichkeit, Kinder zu adoptieren. Abweichend zur Mehrheitsmeinung in der Landesgruppe äußerte sich der Südthüringer Abgeordnete Mark Hauptmann zustimmend. „Ich vermag nicht zu erkennen, warum nicht Schwule und Lesben mit derselben Leidenschaft und Liebe wie heterosexuelle Eltern Verantwortung für Kinder übernehmen können“, sagte er TA. Die neun Thüringer Abgeordneten von Linke, SPD und Grünen werden morgen geschlossen für das Vorhaben stimmen. Die drei Parteien bildeten schon gestern im Bundestag eine informelle rot-rot-grüne Koalition. Gemeinsam setzten sie im Rechtsausschuss durch, dass das Thema kurzfristig morgen auf die Tagesordnung des Parlaments kommt. Eine Mehrheit gilt auch dort als sicher.
Die Spitzen der Union sprachen sich gegen eine Abstimmung vor der Bundestagswahl aus. Zuvor hatte aber Merkel grundsätzlich dafür plädiert, bei einem Votum keinen Fraktionszwang auszuüben – und so die Entwicklung selbst ausgelöst. Dem Parlament liegen drei Gesetzentwürfe für die uneingeschränkte Homo-ehe vor – von Linken, Grünen und vom Bundesrat. Die große Koalition hatte bislang eine Abstimmung verhindert, indem sie das Thema im Ausschuss 30-mal vertagte. Über den Antrag der Länderkammer, der auch von Thüringen eingebracht wurde, soll nun abgestimmt werden.
Der Lesben- und Schwulenverband begrüßte diesen Schritt. „Gleiche Rechte für alle Menschen sind ein Gebot unseres Grundgesetzes“, sagte das Thüringer Vorstandsmitglied Conrad Gliem. „Sie dulden keine Aufschiebung und bedürfen keiner weiteren Diskussion.“In Thüringen leben nach der aktuell verfügbaren Statistik 1397 Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Die Zahl hat sich seit 2011 nahezu verdoppelt Übrigens: Dass es schneller als gedacht zur vollständigen Gleichstellung homosexueller Paare kommen dürfte, hat auch mit einem 28-jährigen Mann aus Thüringen zu tun. Er zog nach der Schule von Saalfeld in die Hauptstadt und arbeitet dort als Veranstaltungsmanager.
Ulli Köppe stellte Angela Merkel bei dem Gesprächsforum in Berlin, auf dem sie ihren überraschenden Kurswechsel einleitete, die entscheidende Frage: Wann dürfe er seinen Freund, falls er ihn heiraten sollte, auch seinen Ehemann nennen? Der Rest ist fast schon Geschichte.