Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Mehr als ein Dutzend islamistischer Gefährder in Thüringen
Verfassungsschutzpräsident Kramer fordert enge Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf Augenhöhe
Oberhof. Thüringer Politiker haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre Verantwortung für innere Sicherheit schlecht wahrgenommen. Versagt wurde bei der Personalentwicklung, bei der Fürsorge, bei Aus- und Fortbildung aber auch bei der technischen und finanziellen Ausstattung der Sicherheitsbehörden.
Jeder dieser Bereiche musste sparen, kritisiert Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer. Erst in jüngster Zeit sei eine Trendwende erkennbar.
Die Gewerkschaft der Polizei hatte ihn gestern als Gastredner zum Abschluss ihres Delegiertentages nach Oberhof geladen. Er enttäuschte die Polizisten nicht. „Wer heute sein Land, seine Bürger und seine Unternehmen gegen die Sicherheitsrisiken der Informations- und Wissensgesellschaft schützen will, der wappne sich gegen:
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nationalen und internationalen Terrorismus brutalen Extremismus international organisierte Kriminalität staatlich organisierte Desinformation und Destabilisierung aus dem Ausland die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
Aus Kramers Sicht spielen auch der Kampf gegen Wirtschaftsund Industriespionage sowie Internetkriminalität und der Schutz der kritischen Infrastruktur wie beispielsweise die Strom- oder Wasserversorgung oder das Aufrechterhalten medizinischer Hilfe bei Attacken eine immer größere Rolle.
Gerade der Schutz vor Wirtschaftsspionage werde „aber leider noch immer viel zu sehr unterschätzt“, warnt der Nachrichtendienstexperte. Obwohl dieser Bereich einer der Schwerpunkte für den Verfassungsschutz ist, fehlt für eine wirkungsvolle Bekämpfung das Personal.
Innere Sicherheit sei eine Kernaufgabe des Rechtsstaates, betont der Präsident. Als Feinde der Demokratie benennt er Rechtsradikale, die Molotowcocktails auf Asylbewerberheime werfen sowie deren schweigende Anhänger, aber auch diejenigen, welche Demokratie und Rechtsstaat gänzlich infrage stellen und auch Teile der linksextremen, autonomen und anarchistischen Szene in Deutschland.
Der Präsident erinnert, dass auf das Konto radikaler Islamisten eine Kette brutaler Anschläge in Europa und auch in Deutschland gehe. Etwa 800 Deutsche seien als islamistische Anhänger in den Krieg nach Syrien gegangen. In der Bundesrepublik leben derzeit etwa 10 000 Salafisten. Sie interpretieren laut Kramer den Islam besonders konservativ und militant.
170 Islamisten und 75 Salafisten im Freistaat
In Thüringen sind derzeit etwa 170 Islamisten und 75 Salafisten bekannt. Gefährder im niedrigen zweistelligen Bereich beschäftigen zunehmend die Sicherheitsbehörden. Was der Präsident nicht sagt: Sie bringen diese Behörden personell an ihre Leistungsgrenzen.
„Ich warne davor, Zahlenspiele zu betreiben und die Dinge herunterzuspielen“, wird Kramer mehr als deutlich. Er betont aber auch, dass Tausende Muslime in Thüringen ihre Heimat sehen und friedlich hier leben.
Seinen Auftritt honorieren die Polizisten mit viel Beifall.
Der wiedergewählte Chef der Gewerkschaft der Polizei in Thüringen, Kai Christ, kündigte gestern an, eine Klage gegen das Land Thüringen zu prüfen, falls sich herausstellt, dass bei Tarifbeschäftigten bei der Polizei der Tarifvertrag der Länder umgangen werde.
Die GDP fordert zudem, statt der bisherigen Wechselschichtzulagen, die beispielsweise für die Beamten der Bereitschaftspolizei nicht gezahlt werden können, fünf Euro Zulage für jede Stunde geleistete Nachtschicht.