Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Schraubende Männer
Elena Rauch erlebte ihre persönliche Energiewende
Ich friere, sagte ich. Er guckte aufs Thermometer, rüttelte an den Rohren, betastete die Heizkörper. Jemand müsste, diagnostizierte er, die mal entlüften. Ein Fachmann vielleicht, bemerkte ich zaghaft. Das mache ich selber, kündigte er entschlossen an. Ich brauche nur einen Schlüssel. Ja, feuerte ich ihn an, hol dir das Ding!
Ich hätte lieber den Monteur gehabt, aber das sagte ich nicht. Wenn ein Mann die Ärmel hochkrempelt, um zu tun, was ein Mann tun muss, muss eine kluge Frau abwarten und beobachten. Sie haben es ja nicht leicht. Ein Mann soll das Kind wickeln und gleichzeitig einen Baum fällen können, er soll weich und empfindsam sein und trotzdem ein Kerl. Das männliche Selbstbild ist im Wanken, das darf eine Frau nicht unterschätzen.
Kaum verging eine Woche, da hatte er sich das nötige Equipment besorgt. Hätte unsere Internetverbindung Anzeichen von Schwäche gezeigt, wäre noch am gleichen Tag die Wohnung voller Monteure gewesen. Aber ein Mann kann nicht verstehen, welche gravierenden mentalen Folgen der Abfall der Raumtemperatur für eine Frau hat. Kann sein, das Erbe unserer fernen Ahnen ist schuld, die mit klammen Fingern im Permafrost nach Wurzeln graben mussten. Seitdem sehnen wir uns nach Wärme.
Es heißt, Hunger macht Männer depressiv und böse. Bei Frauen ist es die Kälte.
Den Abend, nachdem er die Heizung repariert hatte, verbrachten wir in Decken gewickelt beim heißen Tee. Die Heizkörper kalt wie Permafrost. Ich verkniff mir jeden Kommentar. Was hätte man auch sagen sollen. Du hast es wenigstens versucht, aber die Technik war stärker? Frauen können so selbstlos sein. Am nächsten Tag kam der Monteur.
Ein Kollege hatte mir mal stolz erzählt, dass er die Heizung zu Hause mit seinem I-phone aus steuern kann, wenn er im Büro sitzt. Seine Frau tut mir leid.
Männer befinden sich in der Krise ihrer Selbstinszenierung. Aber warum müssen wir dabei frieren?