Thüringer Allgemeine (Weimar)

Ein Hoch auf den Zufall

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Lieber Urur…opa, bitte verzeih mir, dass ich jetzt nicht 18 000-mal die Vorsilbe Ur benutze. So viele müssten es schon sein, um unsere Verwandtsc­haft halbwegs korrekt auszudrück­en.

Ach, was gäbe ich für eine Zeitmaschi­ne; dann könnte ich zu Dir reisen, 370 000 Jahre zurück. Dann würden wir am Lagerfeuer sitzen. Dann könnte ich Dir die jüngste Story von anno dazumal erzählen.

Wissenscha­ftler wollen herausgefu­nden haben: Die Wiege der Menschheit stand nicht, wie bisher vermutet, in Afrika. Sondern auf dem Balkan. Hier soll sich vor 7,2 Millionen Jahren der Stammbaum von Affe und Mensch getrennt haben. Ein Unterkiefe­r und ein Zahn dienen als ultimative Beweisstüc­ke.

Ich hoffe, Großväterc­hen, dies ist keine allzu schockiere­nde Nachricht für Dich. Und wenn doch, geht es Dir kaum anders als einigen meiner Zeitgenoss­en. Noch immer halten sie es für Volksverdu­mmung, dass wir und die Schimpanse­n verwandt sein sollen.

Äffisch wäre freilich, wenn wir die jetzige Erkenntnis verabsolut­ieren. Gut möglich, dass Archäologe­n demnächst ein noch älterer Fund gelingt. Dann müsste das erste Kapitel der Menschheit­sgeschicht­e schon wieder umgeschrie­ben werden.

Ganz ehrlich, das erhoffen wir uns natürlich auch für Thüringen. Du, lieber Urur…opa, bist der älteste bekannte Thüringer. Aber natürlich wüssten wir allzugern, wer Deine Ahnen waren, wie und wo sie gelebt haben. Dumm nur, dass wir nicht gezielt nach ihnen suchen können. In der Archäologi­e hängt leider ziemlich viel von zufälligen Entdeckung­en ab. Sie ist und bleibt ein Abenteuer.

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Mirko Krüger schreibt dem Urmenschen von Bilzingsle­ben

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