Wieder ein Männertag der Kontraste
Ta-reporter berichten über Tausende friedliche Pilger bei der Männerwahlfahrt hier sowie Polizeieinsätze und gefragte Notaufnahmen dort
Wachstedt/blankenhain.
Einmal mehr hatte der Vatertag in Thüringen viele Gesichter. Während im Eichsfeld 10 000 Menschen zur friedlichen Männerwallfahrt am Klüschen Hagis pilgern und Tausende landauf, landab den sonnigen Tag per Pedes, Rad oder Bollerwagen genießen, melden Polizei und Krankenhäuser einmal mehr einen Großeinsatztag.
Zehntausend pilgern zur Wallfahrtskirche
Schon um 8 Uhr bilden sich auf der Straße nach Martinfeld Autokolonnen. Und manche Wanderer sind schon vor Sonnenaufgang gestartet, um pünktlich zu sein, wenn um 9.15 Uhr der Gottesdienst der Männerwallfahrt im Wallfahrtsort Klüschen Hagis beginnt. Zwei Kilometer müssen Autofahrer von den Parkplätzen aus laufen. Nahe am Wallfahrtsort wird auch hier Vatertag gefeiert. Es gibt 10 Bierpilze, mehrere Grillstände sowie eine Feldküche.
„Die Nacht war kühl, aber der Morgen sehr mild“, sagte Pfadfinderchef Siegfried Arand am Lagerfeuer. Die Pfadfinder haben hier übernachtet und werden wieder auf die Fahrräder aufpassen. Die Feuerwehren aus drei Dörfern sind im Einsatz: zwei für die Verkehrsregelung, eine für die Brandsicherheitswache am Rand des Vatertagsgeländes. Auch die Polizei ist da. „Wir sind eine gute Handvoll“, sagt der Eichsfelder Polizeichef Felix Lemser. Das DRK ist mit einem Wagen vor Ort und mit Sanitätern unter den etwa 8000 Wallfahrern (und Wallfahrerinnen), von denen sich die meisten gegen 9 Uhr bei der Kirche eingefunden haben.
22 Radfahrer aus Niederorschel schieben ihre Räder gleich bis hinter die Kapelle. Einschließlich eines späteren Abstechers in eine bestimmte Gaststätte werden sie an diesem Tag 75 Kilometer radeln. Schon seit 1974 machen sie das so, geschmückt mit speziell bedruckten T-shirts und Mützen.
Vor Beginn der Messe läuten die Glocken. Dann werden Bischof Ulrich Neymeyr, Altbischof Joachim Wanke, Weihbischof Reinhard Hauke und ein Bischof aus dem Kongo begrüßt. In seiner Predigt zum Wallfahrtsmotto „Ich vertraue auf Dich. Zeige mir den Weg“ruft Bischof Neymeyr auf zur Bewahrung der Identität des Eichsfeldes durch die Weitergabe des Glaubens in den Familien. Denn Pfarrer, katholische Kindergärten und Religionslehrer könnten dies nicht allein tun.
In Bezug auf bevorstehende Wahl warnt er davor, „die Ränder“zu wählen. Der eine Rand sei der, der dem Staat zu viel übertragen wolle und die Gesellschaft mit ihren freien, auch kirchlichen Trägern, zum „Lückenbüßer“mache. Der andere Rand fordere „möglichst viel deutsches Volk“, Nationalismus und Rassismus. Am Ende der Messe lädt der kongolesische Bischof zum Spenden von alten Handys ein. Mit deren Recycling werde ein Beitrag gegen den illegalen Abbau von Coltan, Blutcoltan, in seiner Heimat geleistet. Zudem verurteilt François Xavier Maroy den Waffenhandel. Bei der Wallfahrt dabei sind auch Priester aus Äthiopien und Uganda, die aus dem Eichsfeld bei sozialen und Bildungsprojekten unterstützt werden.
Nach einer Pause sind noch rund 4000 Gläubige auf dem Wallfahrtsgelände, als bei einem Anspiel Navigationsgeräte getestet werden – Ziel: „gelingendes Leben“. Ein Gerät schickt nach links und „geradeaus zur Gebietsreform“, ein anderes nach rechts und zum Wenden. Am Auto prangt das Kennzeichen „EIC-UH 123“, passend zur heiß diskutierten Fusion der Landkreise Eichsfeld und Unstrut-hainich. Ein Navi spielt komplizierte Sätze des Eichsfeld-landrates ab und ein letztes verweist auf Jesus Christus.
Dann hat der Gastredner Manfred Lütz das Wort. Der Arzt, Schriftstellerund katholische Theologe, zudem unverkennbar auch Kabarettist aus dem Rheinland, lobt mit viel Witz und Ernst die „östlichen Christen“für ihre Glaubenstreue, streift auch sein Thema Gesundheitswahn. „Die Leute leben nur noch vorbeugend und sterben dann gesund.“Lütz ermuntert besonders die Väter, gläubige Vorbilder für ihre Kinder zu sein. Wallfahren sei ganzheitlich, „Leib und Seele gehen zu Gott“, sagt Lütz und schließt mit den Worten: „Beten Sie für uns Christen im Westen. Gelobt sei Jesus Christus.“
Stürze, Prügeleien und Verbrühung am Rost
Nachmittags in der Notaufnahme der Helios-klinik in Blankenhain. Noch ist es weitgehend ruhig. Das sei aber eigentlich normal, sagen Oberarzt Dr. Steffen Patenge und der diensthabende Assistenzarzt Dr. Johannes Woyke. Die „härteren Vatertagsfälle“kommen erst später, wenn der Rausch nachlässt und die Folgen anfangen weh zu tun. Wenn also die Schmerzen durch einen Sturz oder der Zuckerschock durch zu viel Bier spürbar werden. Planen können man so einen Tag in der Notaufnahme eh nicht, so die Mediziner. Man erwarte das Schlimmste und erhoffe das Beste. Fakt ist: Immer dann wenn gefeiert wird und Alkohol ins Spiel kommt, passiert etwas. Auch auf Drogen müsse man sich zunehmend einstellen.
Der erste Vatertagsfall im weiteren Sinne, wenn auch ohne Alkohol als Verursacher, erreicht die Blankenhainer Notaufnahme bereits am späten Vormittag. Eine Frau ist beim Wandern auf einer Treppe so unglücklich gestürzt, dass sie mit einem komplizierten Oberarmbruch in der Klinik bleiben muss. Im Verlaufe des Tages werden die Ärzte die OP für den nächsten Tag besprechen und festlegen.
Patenge und Woyke kennen sich seit Langem. Beide kamen von Weimar nach Blankenhain, wegen der Aufstiegschancen und des familiären Klimas am kleineren Haus. Das Aufeinander-eingespieltsein zahlt sich gerade beim Dienst in der Notaufnahme aus, man kann sich aufeinander verlassen. Als Oberarzt kommt Patenge am Feiertag nur zu kritischeren Fällen in die Klinik, das meiste erledigt Arzt Woyke mit den Dienst-kollegen in Eigenregie. Am Nachmittag bleibt immerhin auch mal Zeit, die Whatsapp-nachrichten der Freunde zu verfolgen, die gerade bei Apolda Bratwürste rösten.
Kurz vor 17 Uhr füllt sich der Warteraum. Ein junger Mann ist mit dem Skateboard gestürzt und hat Blessuren an Kopf und Hand davongetragen. Mehr als Gips und Pflaster, die ihm Johannes Woyke verpasst, schmerzen ihn wohl die Gedanken an das bevorstehende letzte Fußballspiel der Saison am Samstag. Als Tormann fällt der Gestürzte dafür definitiv aus.
Ein älterer Blankenhainer hat sich beim Wechseln der Klinge seines Cuttermessers schwer verletzt. Ein Jüngerer klagt über extreme Bauchschmerzen. Typische Notaufnahmefälle, wie sie auch an Nicht-vatertagen vorkommen können.
Mit dem Abend kommen sie, die Herren der Schöpfung, denen – meist nach dem einen oder anderen Bier zu viel – verknotete Beine oder übermütiges Spiel mit dem Feuer zum Verhängnis wurden. Einer hat sich beim Grillen am Rost verbrüht, andere sind bei waghalsigen Klettereien gestürzt. Auch Folgen von handgreiflichen Auseinandersetzungen muss Johannes Woyke in den nächsten Stunden verarzten. Bis Mitternacht kommt so ein gutes Dutzend typischer Vatertagsfälle zusammen. Die gute Nachricht: alle können die Klinik nach der Behandlung wieder verlassen.
Polizeieinsätze gegen Gewalttätige
Bei der Polizei gehen am Vatertag Hunderte Notrufe ein. 31 Körperverletzungen, 20 Sachbeschädigungen, 30 Ruhestörungen und 10 betrunkene Fahrer kommen zusammen. Laut Gothaer Polizei gehen in Arnstadt, Ohrdruf und Eisenach betrunkene Männer teils gewalttätig und mit abgeschlagenen Gläsern aufeinander los. Die Jenaer Polizei berichtet vom hohen Aggressionspotenzial unter 500 Menschen im Jenaer Paradies, was sich auch in Angriffen auf die Beamten widerspiegelte. Auf der B7 nahe des Napoleonsteins bei Nohra müssen zehn Männer durch die Weimarer Polizei von der Mitte der Bundesstraße geholte werden. Am Bahnhof Wünschendorf fliegen nach verbalen Scharmützeln zwischen 50 Streithähnen schließlich Gläser und Flaschen, so dass die Bahnpolizei eingreifen musste.