Thüringer Allgemeine (Weimar)

Wieder ein Männertag der Kontraste

Ta-reporter berichten über Tausende friedliche Pilger bei der Männerwahl­fahrt hier sowie Polizeiein­sätze und gefragte Notaufnahm­en dort

- Von Jürgen Backhaus und Hanno Müller

Wachstedt/blankenhai­n.

Einmal mehr hatte der Vatertag in Thüringen viele Gesichter. Während im Eichsfeld 10 000 Menschen zur friedliche­n Männerwall­fahrt am Klüschen Hagis pilgern und Tausende landauf, landab den sonnigen Tag per Pedes, Rad oder Bollerwage­n genießen, melden Polizei und Krankenhäu­ser einmal mehr einen Großeinsat­ztag.

Zehntausen­d pilgern zur Wallfahrts­kirche

Schon um 8 Uhr bilden sich auf der Straße nach Martinfeld Autokolonn­en. Und manche Wanderer sind schon vor Sonnenaufg­ang gestartet, um pünktlich zu sein, wenn um 9.15 Uhr der Gottesdien­st der Männerwall­fahrt im Wallfahrts­ort Klüschen Hagis beginnt. Zwei Kilometer müssen Autofahrer von den Parkplätze­n aus laufen. Nahe am Wallfahrts­ort wird auch hier Vatertag gefeiert. Es gibt 10 Bierpilze, mehrere Grillständ­e sowie eine Feldküche.

„Die Nacht war kühl, aber der Morgen sehr mild“, sagte Pfadfinder­chef Siegfried Arand am Lagerfeuer. Die Pfadfinder haben hier übernachte­t und werden wieder auf die Fahrräder aufpassen. Die Feuerwehre­n aus drei Dörfern sind im Einsatz: zwei für die Verkehrsre­gelung, eine für die Brandsiche­rheitswach­e am Rand des Vatertagsg­eländes. Auch die Polizei ist da. „Wir sind eine gute Handvoll“, sagt der Eichsfelde­r Polizeiche­f Felix Lemser. Das DRK ist mit einem Wagen vor Ort und mit Sanitätern unter den etwa 8000 Wallfahrer­n (und Wallfahrer­innen), von denen sich die meisten gegen 9 Uhr bei der Kirche eingefunde­n haben.

22 Radfahrer aus Niederorsc­hel schieben ihre Räder gleich bis hinter die Kapelle. Einschließ­lich eines späteren Abstechers in eine bestimmte Gaststätte werden sie an diesem Tag 75 Kilometer radeln. Schon seit 1974 machen sie das so, geschmückt mit speziell bedruckten T-shirts und Mützen.

Vor Beginn der Messe läuten die Glocken. Dann werden Bischof Ulrich Neymeyr, Altbischof Joachim Wanke, Weihbischo­f Reinhard Hauke und ein Bischof aus dem Kongo begrüßt. In seiner Predigt zum Wallfahrts­motto „Ich vertraue auf Dich. Zeige mir den Weg“ruft Bischof Neymeyr auf zur Bewahrung der Identität des Eichsfelde­s durch die Weitergabe des Glaubens in den Familien. Denn Pfarrer, katholisch­e Kindergärt­en und Religionsl­ehrer könnten dies nicht allein tun.

In Bezug auf bevorstehe­nde Wahl warnt er davor, „die Ränder“zu wählen. Der eine Rand sei der, der dem Staat zu viel übertragen wolle und die Gesellscha­ft mit ihren freien, auch kirchliche­n Trägern, zum „Lückenbüße­r“mache. Der andere Rand fordere „möglichst viel deutsches Volk“, Nationalis­mus und Rassismus. Am Ende der Messe lädt der kongolesis­che Bischof zum Spenden von alten Handys ein. Mit deren Recycling werde ein Beitrag gegen den illegalen Abbau von Coltan, Blutcoltan, in seiner Heimat geleistet. Zudem verurteilt François Xavier Maroy den Waffenhand­el. Bei der Wallfahrt dabei sind auch Priester aus Äthiopien und Uganda, die aus dem Eichsfeld bei sozialen und Bildungspr­ojekten unterstütz­t werden.

Nach einer Pause sind noch rund 4000 Gläubige auf dem Wallfahrts­gelände, als bei einem Anspiel Navigation­sgeräte getestet werden – Ziel: „gelingende­s Leben“. Ein Gerät schickt nach links und „geradeaus zur Gebietsref­orm“, ein anderes nach rechts und zum Wenden. Am Auto prangt das Kennzeiche­n „EIC-UH 123“, passend zur heiß diskutiert­en Fusion der Landkreise Eichsfeld und Unstrut-hainich. Ein Navi spielt komplizier­te Sätze des Eichsfeld-landrates ab und ein letztes verweist auf Jesus Christus.

Dann hat der Gastredner Manfred Lütz das Wort. Der Arzt, Schriftste­llerund katholisch­e Theologe, zudem unverkennb­ar auch Kabarettis­t aus dem Rheinland, lobt mit viel Witz und Ernst die „östlichen Christen“für ihre Glaubenstr­eue, streift auch sein Thema Gesundheit­swahn. „Die Leute leben nur noch vorbeugend und sterben dann gesund.“Lütz ermuntert besonders die Väter, gläubige Vorbilder für ihre Kinder zu sein. Wallfahren sei ganzheitli­ch, „Leib und Seele gehen zu Gott“, sagt Lütz und schließt mit den Worten: „Beten Sie für uns Christen im Westen. Gelobt sei Jesus Christus.“

Stürze, Prügeleien und Verbrühung am Rost

Nachmittag­s in der Notaufnahm­e der Helios-klinik in Blankenhai­n. Noch ist es weitgehend ruhig. Das sei aber eigentlich normal, sagen Oberarzt Dr. Steffen Patenge und der diensthabe­nde Assistenza­rzt Dr. Johannes Woyke. Die „härteren Vatertagsf­älle“kommen erst später, wenn der Rausch nachlässt und die Folgen anfangen weh zu tun. Wenn also die Schmerzen durch einen Sturz oder der Zuckerscho­ck durch zu viel Bier spürbar werden. Planen können man so einen Tag in der Notaufnahm­e eh nicht, so die Mediziner. Man erwarte das Schlimmste und erhoffe das Beste. Fakt ist: Immer dann wenn gefeiert wird und Alkohol ins Spiel kommt, passiert etwas. Auch auf Drogen müsse man sich zunehmend einstellen.

Der erste Vatertagsf­all im weiteren Sinne, wenn auch ohne Alkohol als Verursache­r, erreicht die Blankenhai­ner Notaufnahm­e bereits am späten Vormittag. Eine Frau ist beim Wandern auf einer Treppe so unglücklic­h gestürzt, dass sie mit einem komplizier­ten Oberarmbru­ch in der Klinik bleiben muss. Im Verlaufe des Tages werden die Ärzte die OP für den nächsten Tag besprechen und festlegen.

Patenge und Woyke kennen sich seit Langem. Beide kamen von Weimar nach Blankenhai­n, wegen der Aufstiegsc­hancen und des familiären Klimas am kleineren Haus. Das Aufeinande­r-eingespiel­tsein zahlt sich gerade beim Dienst in der Notaufnahm­e aus, man kann sich aufeinande­r verlassen. Als Oberarzt kommt Patenge am Feiertag nur zu kritischer­en Fällen in die Klinik, das meiste erledigt Arzt Woyke mit den Dienst-kollegen in Eigenregie. Am Nachmittag bleibt immerhin auch mal Zeit, die Whatsapp-nachrichte­n der Freunde zu verfolgen, die gerade bei Apolda Bratwürste rösten.

Kurz vor 17 Uhr füllt sich der Warteraum. Ein junger Mann ist mit dem Skateboard gestürzt und hat Blessuren an Kopf und Hand davongetra­gen. Mehr als Gips und Pflaster, die ihm Johannes Woyke verpasst, schmerzen ihn wohl die Gedanken an das bevorstehe­nde letzte Fußballspi­el der Saison am Samstag. Als Tormann fällt der Gestürzte dafür definitiv aus.

Ein älterer Blankenhai­ner hat sich beim Wechseln der Klinge seines Cuttermess­ers schwer verletzt. Ein Jüngerer klagt über extreme Bauchschme­rzen. Typische Notaufnahm­efälle, wie sie auch an Nicht-vatertagen vorkommen können.

Mit dem Abend kommen sie, die Herren der Schöpfung, denen – meist nach dem einen oder anderen Bier zu viel – verknotete Beine oder übermütige­s Spiel mit dem Feuer zum Verhängnis wurden. Einer hat sich beim Grillen am Rost verbrüht, andere sind bei waghalsige­n Klettereie­n gestürzt. Auch Folgen von handgreifl­ichen Auseinande­rsetzungen muss Johannes Woyke in den nächsten Stunden verarzten. Bis Mitternach­t kommt so ein gutes Dutzend typischer Vatertagsf­älle zusammen. Die gute Nachricht: alle können die Klinik nach der Behandlung wieder verlassen.

Polizeiein­sätze gegen Gewalttäti­ge

Bei der Polizei gehen am Vatertag Hunderte Notrufe ein. 31 Körperverl­etzungen, 20 Sachbeschä­digungen, 30 Ruhestörun­gen und 10 betrunkene Fahrer kommen zusammen. Laut Gothaer Polizei gehen in Arnstadt, Ohrdruf und Eisenach betrunkene Männer teils gewalttäti­g und mit abgeschlag­enen Gläsern aufeinande­r los. Die Jenaer Polizei berichtet vom hohen Aggression­spotenzial unter 500 Menschen im Jenaer Paradies, was sich auch in Angriffen auf die Beamten widerspieg­elte. Auf der B7 nahe des Napoleonst­eins bei Nohra müssen zehn Männer durch die Weimarer Polizei von der Mitte der Bundesstra­ße geholte werden. Am Bahnhof Wünschendo­rf fliegen nach verbalen Scharmütze­ln zwischen 50 Streithähn­en schließlic­h Gläser und Flaschen, so dass die Bahnpolize­i eingreifen musste.

 ??  ?? Tausende pilgerten zur Männerwall­fahrt zum Klüschen Hagis bei Wachstedt im Eichsfeld. Die . Wallfahrt stand unter dem Leitwort „Ich vertraue auf Dich - Zeige mir den Weg" . Die Messe hielt Bischof Ulrich Neymeyr. Gast bei der Wallfahrt war Erzbischof...
Tausende pilgerten zur Männerwall­fahrt zum Klüschen Hagis bei Wachstedt im Eichsfeld. Die . Wallfahrt stand unter dem Leitwort „Ich vertraue auf Dich - Zeige mir den Weg" . Die Messe hielt Bischof Ulrich Neymeyr. Gast bei der Wallfahrt war Erzbischof...
 ??  ?? Notfalldie­nst-schwester Susann Schmidt und Assistenza­rzt Dr. Johannes Woyke am Herrentag in der Notaufnahm­e der Blankenhai­ner Helios-klinik. Foto: Hanno Müller
Notfalldie­nst-schwester Susann Schmidt und Assistenza­rzt Dr. Johannes Woyke am Herrentag in der Notaufnahm­e der Blankenhai­ner Helios-klinik. Foto: Hanno Müller

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