Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der Gipfel der Uneinigkei­t

Beim G7-treffen auf Sizilien wird sichtbar, wie fremd sich Angela Merkel und Donald Trump immer noch sind

- Von Michael Backfisch

Taormina.

Es ist ein Bild für die Götter. Bundeskanz­lerin Angela Merkel, strahlend blaues Jackett und weiße Hose, plaudert mit Us-präsident Donald Trump, der im staatstrag­enden Dunkelblau daherkommt. Beide schlendern mit ihren Kollegen, den Staats- und Regierungs­chefs der westlichen G7-industrien­ationen, durch das griechisch­e Amphitheat­er in Taormina. In der Ferne schimmert der Gipfel des Ätnas. Die Stadt an der sizilianis­chen Mittelmeer­küste bietet an diesem Freitag eine großartige Kulisse. Doch der Eindruck täuscht. Denn Freunde werden Donald Trump und Angela Merkel nicht mehr.

Rückblende. Am Donnerstag steht der Us-präsident am Rednerpult des neuen Nato-hauptquart­iers in Brüssel. Die blauen Flaggen des Bündnisses spielen im Wind. Plötzlich poltert Trump, dass 23 von 28 Mitglieder­n der Allianz weniger als zwei Prozent ihrer Wirtschaft­sleistung für die Verteidigu­ng ausgeben. „Und viele dieser Nationen schulden enorme Mengen Geld aus den vergangene­n Jahren.“Auch Deutschlan­d steht damit am Pranger. Die Bundesregi­erung hat zwar das Verteidigu­ngsbudget um rund acht Prozent gesteigert, kommt aber trotzdem kaum über die 1,2-Prozent-marke hinaus.

Während Trump spricht, gibt sich die Kanzlerin Mühe, geradeaus zu schauen. Sie versucht, ihre Gesichtszü­ge zu kontrollie­ren, kann aber nicht verhindern, dass sich ihre Mundwinkel nach unten verhärten.

Wenige Stunden zuvor hat der Us-präsident bereits im Gespräch mit Eu-kommission­schef Jean-claude Juncker und Eu-ratspräsid­ent Donald Tusk gegen die deutschen Exportunte­rnehmen vom Leder gezogen. Juncker bestätigt am Freitag, dass sich der Chef des Weißen Hauses über den deutschen Handelsübe­rschuss beschwert habe. Er gibt indirekt wieder, dass die Worte „the Germans are bad, very bad“gefallen seien. Die Übersetzun­g „Die Deutschen sind böse, sehr böse“bezeichnet­e Juncker aber als übertriebe­n. „Ich bin kein Spezialist im Englischen, wie man weiß, aber: ‚Bad‘ heißt nicht ‚böse‘, ‚schlecht‘ reicht.“Juncker fügte hinzu: „Er hat nicht gesagt, die Deutschen benehmen sich schlecht. Er hat gesagt, wir haben ein Problem.“

Laut Trumps Wirtschaft­sberater Gary Cohn sagte der Präsident: „Ich habe kein Problem mit Deutschlan­d, ich habe ein Problem mit dem deutschen Handel.“Trump hat sich bereits mehrfach über den Handelsübe­rschuss beklagt. Laut „Spiegel“hat er auch die markigen Sätze gesagt: „Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen. Fürchterli­ch. Wir werden das stoppen.“

Trumps Sprecher Sean Spicer läuft in den Gassen von Taormina zufällig deutschen Journalist­en über den Weg. „Der Präsident hat nur über das unfaire Ungleichge­wicht in der Handelsbil­anz zwischen Deutschlan­d und den USA geredet“, sagt Spicer. Trump habe einen „unglaublic­hen Respekt“gegenüber Deutschlan­d.

Die Vorlieben Trumps scheinen derzeit allerdings in anderen Staaten zu liegen. Mitglieder der westlichen Wertegemei­nschaft gehören nicht dazu. Beim Schwertert­anz in Saudi-arabien vor wenigen Tagen bewegte sich der Präsident mit sanftem Schwung neben den Scheichs und lächelte still in sich hinein.

Am Abend versucht die Kanzlerin, die Wogen etwas zu glätten. Nach einem bilaterale­n Gespräch mit Trump steht sie im Säulengang des Hotels „San Domenico Palace“in Taormina. Sie redet von „lebendigen, sehr ehrlichen Diskussion­en“. Beide hätten ihre unterschie­dlichen Positionen zu strittigen Fragen ausgetausc­ht. Zur Handelspol­itik soll eine Arbeitsgru­ppe gebildet werden, um Details zu regeln. Ob sie damit rechne, dass die Amerikaner beim G20-gipfel Anfang Juli in Hamburg in der Klimafrage beidrehen, wird sie gefragt. „Das vermag ich nicht zu sagen“, antwortet sie und lächelt. Besonders optimistis­ch klingt es aber nicht.

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Gruppenbil­d mit Aussicht: Eu-ratspräsid­ent Donald Tusk, Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Us-präsident Donald Trump, Italiens Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni, Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, Japans...
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Angela Merkel und Donald Trump auf Sizilien. Foto: dpa

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