Thüringer Allgemeine (Weimar)

Ramelow: Noch viele dunkle Flecken

Nsu-prozess: Aus Thüringen stammen die Haupttäter. Für den Ministerpr­äsidenten bleiben viele Fragen offen

- Von Simone Rothe

Erfurt. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) sieht trotz der bevorstehe­nden Plädoyers im Münchner NSUProzess weiteren Aufklärung­sbedarf zu dem rechtsextr­emen Terrornetz­werk. „Ich habe Zweifel, ob wir ansatzweis­e an der Wahrheit über das rechte Netzwerk und die Nsu-helfer dran sind“, sagte Ramelow in Erfurt. Seit dem Auffliegen des NSU 2011 sei durch Untersuchu­ngsausschü­sse – vor allem die des Thüringer Landtags und des Bundestage­s – sowie durch die Strafermit­tlungen viel an Aufklärung­sarbeit geleistet worden. „Aber ich befürchte, es gibt noch viele dunkle Flecken.“

Nach Meinung Ramelows spielen rechtsextr­emistische Strukturen und ihre juristisch­e Bewertung im Nsu-prozess in München eine zu geringe Rolle. „Ich habe keine Kritik an dem Verfahren. Aber es ist in manchen Punkten nicht das, was ich mir gewünscht habe.“Thüringens Regierungs­chefs sprach von einer Selbstbesc­hränkung auf die Details einzelner Taten, die sich die Justiz in dem Verfahren auferlegt habe.

Nach Auseinande­rsetzungen über mögliche Tonaufnahm­en ist derzeit offen, ob die Bundesanwa­ltschaft im Nsu-prozess morgen mit ihrem Plädoyer beginnen kann. Er erwarte ein Urteil in dem Verfahren, „aber keine umfassende­n Erkenntnis­se über die Strukturen des rechten Terrornetz­werkes“, so Ramelow. Hauptangek­lagte ist die aus Jena stammende mutmaßlich­e Rechtsterr­oristin Beate Zschäpe. Der 42-Jährigen wird Mittä- terschaft an allen Verbrechen der rechten Terrorzell­e angelastet. Die ebenfalls aus Jena stammenden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die mit Zschäpe im Untergrund lebten und sich vor ihrem Auffliegen töteten, sollen zehn Menschen ermordet haben. Neben Zschäpe sitzen auch einige mutmaßlich­e Helfer und Unterstütz­er auf der Anklageban­k.

Nach Auffassung von Ramelow krankt die Nsu-aufarbeitu­ng daran, dass viele Akten den Untersuchu­ngsausschü­ssen und Ermittlern nicht vorgelegen hätten. „Ich habe den Eindruck, es wurden nach dem Auffliegen des NSU Akten schneller geschredde­rt als untersucht“, so der Linke-politiker.

Der erste Nsu-untersuchu­ngsausschu­ss des Thüringer Landtags hatte den Ermittlung­sbehörden gravierend­e Fehler bei der Verfolgung des NSU und seiner Helfer bescheinig­t. Bei der Vorlage des Abschlussb­erichts war von „Fehlleistu­ngen in erschrecke­ndem Ausmaß“die Rede. Thüringen habe als eine Konsequenz daraus den Verfassung­sschutz reformiert, sagte Ramelow. V-leute könnten nur noch nach einer Einzelfall­entscheidu­ng der Regierung eingesetzt werden. (dpa)

Ramelow: Viele Akten zu schnell geschredde­rt

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