Ramelow: Noch viele dunkle Flecken
Nsu-prozess: Aus Thüringen stammen die Haupttäter. Für den Ministerpräsidenten bleiben viele Fragen offen
Erfurt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht trotz der bevorstehenden Plädoyers im Münchner NSUProzess weiteren Aufklärungsbedarf zu dem rechtsextremen Terrornetzwerk. „Ich habe Zweifel, ob wir ansatzweise an der Wahrheit über das rechte Netzwerk und die Nsu-helfer dran sind“, sagte Ramelow in Erfurt. Seit dem Auffliegen des NSU 2011 sei durch Untersuchungsausschüsse – vor allem die des Thüringer Landtags und des Bundestages – sowie durch die Strafermittlungen viel an Aufklärungsarbeit geleistet worden. „Aber ich befürchte, es gibt noch viele dunkle Flecken.“
Nach Meinung Ramelows spielen rechtsextremistische Strukturen und ihre juristische Bewertung im Nsu-prozess in München eine zu geringe Rolle. „Ich habe keine Kritik an dem Verfahren. Aber es ist in manchen Punkten nicht das, was ich mir gewünscht habe.“Thüringens Regierungschefs sprach von einer Selbstbeschränkung auf die Details einzelner Taten, die sich die Justiz in dem Verfahren auferlegt habe.
Nach Auseinandersetzungen über mögliche Tonaufnahmen ist derzeit offen, ob die Bundesanwaltschaft im Nsu-prozess morgen mit ihrem Plädoyer beginnen kann. Er erwarte ein Urteil in dem Verfahren, „aber keine umfassenden Erkenntnisse über die Strukturen des rechten Terrornetzwerkes“, so Ramelow. Hauptangeklagte ist die aus Jena stammende mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Der 42-Jährigen wird Mittä- terschaft an allen Verbrechen der rechten Terrorzelle angelastet. Die ebenfalls aus Jena stammenden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die mit Zschäpe im Untergrund lebten und sich vor ihrem Auffliegen töteten, sollen zehn Menschen ermordet haben. Neben Zschäpe sitzen auch einige mutmaßliche Helfer und Unterstützer auf der Anklagebank.
Nach Auffassung von Ramelow krankt die Nsu-aufarbeitung daran, dass viele Akten den Untersuchungsausschüssen und Ermittlern nicht vorgelegen hätten. „Ich habe den Eindruck, es wurden nach dem Auffliegen des NSU Akten schneller geschreddert als untersucht“, so der Linke-politiker.
Der erste Nsu-untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags hatte den Ermittlungsbehörden gravierende Fehler bei der Verfolgung des NSU und seiner Helfer bescheinigt. Bei der Vorlage des Abschlussberichts war von „Fehlleistungen in erschreckendem Ausmaß“die Rede. Thüringen habe als eine Konsequenz daraus den Verfassungsschutz reformiert, sagte Ramelow. V-leute könnten nur noch nach einer Einzelfallentscheidung der Regierung eingesetzt werden. (dpa)
Ramelow: Viele Akten zu schnell geschreddert