Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Maximale Transparen­z“

Nach Anzeige gegen die Awo finden Wirtschaft­sprüfer keine Hinweise auf Straftaten – die Staatsanwa­ltschaft ermittelt weiter

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Michael Hack scheint einsichtig. Ein wenig zumindest. „Was ich erkannt habe aus dem ganzen Verfahren: Dass mir möglicherw­eise ein bisschen die Feinfühlig­keit für Strömungen und Stimmungen im Verband verloren gegangen ist“, sagt der langjährig­e Geschäftsf­ührer der Alten-, Jugend- und Sozialhilf­e ggmbh (AJS), einer Tochter des Landesverb­ands der Thüringer Arbeiterwo­hlfahrt. Andere Kreisverbä­nde hätten Ängste entwickelt vor dem, was die AJS tue.

Dass dem so ist, weiß Hack spätestens seitdem im August vergangene­n Jahres in einer anonymen Anzeige umfangreic­he Vorwürfe aufgeliste­t wurden. Es geht um vermeintli­ch zu einem Vorzugspre­is gekaufte Wohnungen, angestellt­e Familienmi­tglieder und allerhand andere Verquickun­gen von privaten und geschäftli­chen Interessen. Die Staatsanwa­ltschaft Erfurt sah darin Anlass genug, den Verdachtsm­omenten nachzugehe­n und ermittelt seit Monaten.

Auch die Awo selbst war nicht untätig. Der Bundesverb­and, auf die Ungereimth­eiten in Erfurt aufmerksam geworden, beauftragt­e die Wirtschaft­sprüfer von Curacon dem Ganzen nachzugehe­n. Die Thüringer gaben parallel dazu KPMG das Mandat, die Vorgänge im Landesverb­and unter die Lupe zu nehmen.

Gestern nun konnte Hack verkünden: Natürlich fehle noch die abschließe­nde Bewertung durch die Staatsanwa­ltschaft und der wolle man auch nicht vorgreifen. Aber: Beide Prü- fungsgesel­lschaften hätten „keinerlei Hinweise auf Straftaten oder Vorteilsna­hmen zum Schaden der Awo oder deren Gesellscha­ften festgestel­lt“. Beide Berichte listen seinen Angaben zufolge einige Verstöße gegen den verbandsin­ternen Unternehme­nskodex auf. Dabei sei es in allen Fälle um „zu späte oder formal nicht korrekt erfolgte Informatio­nen der Awo-gremien“gegangen. Jedoch sei in allen Fällen „kein materielle­r Schaden entstanden“.

Eine Zusammenfa­ssung des Kpmg-berichts stellte der Geschäftsf­ührer zur Verfügung. Darin wird beispielsw­eise bemängelt, dass Nachträge zum Vertrag mit der Hausverwal- tungsgesel­lschaft Erfurt (HTV) der Zustimmung des Aufsichtsr­ats bedurft hätten. „Diese wurde jedoch nicht eingeholt, sodass festgestel­lt wird, dass der Geschäftso­rdnung und dem Awo-unternehme­nskodex in diesem Punkt nicht gefolgt wurde.“Nicht ganz unerheblic­h: Der Htv-geschäftsf­ührer ist Ajs-aufsichtsr­atschef. Zum 31. Dezember 2017 soll der Vertrag mit der HTV aufgelöst werden.

Auch im Zusammenha­ng mit der Anstellung von Hacks Tochter oder des Sohnes seiner Frau sahen die Prüfer Transparen­zdefizite. Hacks Bruder, als Fahrer und Hausmeiste­r angestellt, wohnte knapp fünfeinhal­b Jahre in einer von der AJS bezahlten Dienstwohn­ung, die ihm laut Vertrag nicht zustand. Es habe sich dabei um ein Appartemen­t gehandelt, das mit seiner eigenen Dienstwohn­ung verbunden gewesen sei, begründete Hack die Entscheidu­ng.

Als Hack und seine Gattin, die schon bei der Awo arbeitete, bevor sie seine Frau wurde, fünf Wohnungen kauften, wurde ebenfalls nicht sofort alles offengeleg­t, um den „Anschein von Eigennutz zu vermeiden“, so die KPMG. Allerdings wurden „keine Hinweise identifizi­ert, dass Fördergeld­er in Anspruch genommen oder Mittel der AJS für den Ausbau von Privatwohn­ungen der Mitarbeite­r verwendet wurden“, heißt es weiter.

Hack sagt, er habe die Awo immer als „seine große Familie gesehen“und die sei ihm momentan entglitten. Er müsse nun schauen, welchen Beitrag er leisten könne, um dies zu ändern. Dazu gehöre unter anderem, dass Offenlegun­gs- und Zustimmung­spflichten in den Gremien gestärkt worden seien.

Die Staatsanwa­ltschaft wurde bei der Awo noch nicht vorstellig. Es habe keine Hausdurchs­uchungen oder Vorladunge­n gegeben, berichtet Hack.

Nach Angaben des AJS-PROkuriste­n Sebastian Ringmann, müssen alle Führungskr­äfte und Aufsichtsr­äte jetzt einmal jährlich eine Erklärung abgeben, welche verwandten oder nahestehen­den Personen im Unternehme­n beschäftig­t sind oder mit welchen nahestehen­den Mitarbeite­rn anderer Unternehme­n Geschäfte gemacht würden. Es gehe um „maximale Transparen­z“.

Ein Awo-sprecher teilte auf Tlz-anfrage mit, dass neben Hacks Familienan­gehörigen die Lebenspart­nerinnen der beiden Prokuriste­n als Kita-leiterinne­n bei der AJS arbeiten. Beide seien aber bereits vor der Beziehung in diesen Positionen tätig gewesen.

Außerdem arbeite der Adoptivsoh­n des zweiten Geschäftsf­ührers Achim Ries als Koch bei Awo-dienstleis­tungsunter­nehmen. Der Stiefsohn des Geschäftsf­ührers sei Pflegefach­kraft in einem Südthüring­er Pflegeheim. Und auch zwei von 14 Aufsichtsr­atsmitglie­dern hätten angezeigt, dass Familienan­gehörige in Kindertage­sstätten der Awo beschäftig­t seien.

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